Aus alten Zeitungen und Zeitschriften
II. Jahrgang, Oktober 1928, Nr. 10, 12
Das Postmuseum der Freien Stadt Danzig
von Josef Goldberger, Danzig-Langfuhr
Bis zum Inkrafttreten des am 28. Juni 1919 unterzeichneten Vertrages von Versailles gehörte das Gebiet der Freien Stadt Danzig als Teil der preußischen Provinz Westpreußen zum Deutschen Reich. Am 16. Juni 1920 wurde eine eigene Oberpostdirektion eingerichtet. Sowohl die für die frühere deutsche Postverwaltung gültigen Gesetze wie auch die auf Art.103 des Vertrages von Versailles beruhende Verfassung der Freien Stadt Danzig bilden die Grundlage für das Post-, Telegraphenund Telephonwesen.
Wenige europäische und außereuropäische Staaten können sich eines Postmuseums erfreuen. Die Freie Stadt Danzig ging bald daran, ein solches Museum zu schaffen. Man muß es deshalb den maßgebenden Stellen, vor allem dem Staatsrat Zander, dem Geheimrat Schulz und dem Postinspektor Nettke hoch anrechnen, daß sie trotz der Ungunst der Verhältnisse mit anerkennenswerter Energie die Errichtung eines Postmuseums für die Freie Stadt Danzig geplant und in die Wege geleitet haben. Diese noch wenig bekannte Schaustellung wird sicherlich ein dankbares Publikum finden.
Die Post- und Telegraphenverwaltung hat in ihrem Gebäude am Winterplatz in zwei von einander getrennten Räumen das Postmuseum eingerichtet, welches zwei wesentliche Abteilungen umfaßt: 1. die Post-, 2. die Telephon- und Telegraphenverwaltung. Jede Abteilung gliedert sich wiederum in eine historische und eine sachliche.
Die historische Abteilung des Postwesens enthält postgeschichtliche Dokumente schon aus dem 17. und den darauf folgenden Jahrhunderten, ferner auf das Postwesen bezugnehmende Bekanntmachungen des Rates der Stadt Danzig, Botenordnungen und Posttarife, deren Gebühren recht zahlreich waren. Man sieht auch handschriftliche Eintragungen über Zahlungen, welche an Boten für die Beförderung von Nachrichten geleistet worden waren. Als Seltenheit betrachtet man heute die hier vorhandenen Briefe aus jener Zeit, die noch keine Briefmarken kannte, sondern nur den Ortsstempel in verschiedenen Formen (Nieren-, Oval-, Rund-, Kasten-, Bahnhofstempel u. dgl.). In diese Zeit gehören auch die Cholerabriefe, die vor der weiteren Beförderung wegen der Infektionsgefahren desinfiziert und zum Zeichen der erfolgten Reinigung äußerlich mit einem Stempel versehen wurden. Hervorzuheben sind die Ganzsachen und Postwertzeichen der Privatpost und Verkehrsanstalten, die in den Jahren 1887-1890 unter den Namen Hansa, Merkur und Courier ihre eigenen Briefexpeditionen innerhalb des Stadtgebietes neben der staatlichen Einrichtung ausführten.
Die sachliche Abteilung umfaßt die von der Postverwaltung jeweils herausgegebenen Leithefte für das Gebiet der Freien Stadt Danzig und die Ortsverzeichnisse, ferner die Leitkarten und Verzeichnisse der Postanstalten, Eisenbahnfahrpläne nebst Angabe der Postbenutzung, die Fahrpläne der deutschen und polnischen Anschlußstrecken, die Dampf-, Schiff-, Kraftpost- und Landpostverbindungen. Von Interesse sind die vielen Posttarife der Freien Stadt Danzig, die so recht deutlich die fortschreitende Entwertung der deutschen Mark bekunden. Vom 1.10.1919 bis 25.10.1923 wurde der Posttarif fürs Inland 24mal und für den Auslandsverkehr 27mal abgeändert. Erwähnenswert ist, daß z. B. ein Einschreibbrief nach dem Ausland Ende Oktober 1923 sechs Milliarden Mark kostete.
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Arge Danzig, Rundschreiben 261, 4. Quartal 2018, Seite 3254.
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Added: 26/11/2018
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