>> Aufdruck- und Stempelfragen:
Spiegel der Meinungen: ("Der Sammler-Dienst", Heft 19, 1954)
[vorgelegt von Hans-Jürgen Köster, Tel. 040-5890784]
Infla-Prüfstempel wertlos?
Vor uns liegt ein Stück der vielbesprochenen Dienstmarke des Deutschen Reiches Nr. 65 (10 Pfg. orange), erschienen im März 1921, schön sauber abgestempelt (und darum auch vom Händler als "Prachtstück" bezeichnet), aber erst 2 1/4 Jahr später, - und zwar Cöln 7. VIII. 23 - gestempelt, also zu einer Zeit, als das Briefporto bereits auf das 10.000fache (!) der Wertangabe gestiegen war.
Bis dahin eine alte Geschichte: Viele Stücke des ungebraucht ganz billigen Wertes sind ja durch spätere Gefälligkeitsabstempelungen "salonfähig" geworden. Sehr bedenklich wird nun aber die Sache dadurch, daß diese Marke den Infla-Prüfstempel und daneben noch das persönliche Prüfzeichen "Peschl" trägt.
Um ganz sicher zu gehen, schickten wir die Marke noch einmal zur Nachprüfung an den Infla-Bundesprüfer E. Peschl in Passau ein. Und das Ergebnis? In seiner Antwort vom 18. 8. 54 erkennt Peschl die Abstempelung als echt an und fährt wörtlich fort: "Ob die Abstempelung gefälligkeitshalber (also zur Zeit der Datumsangabe) erfolgte oder auf Bedarfsbrief, kann ich einer losen Marke nicht ansehen. Ich kann nur sagen, daß der Stempel echt und zeitgerecht ist. Sehr wahrscheinlich dürfte die Marke damals kaum mehr als Frankatur benutzt worden sein. Darum ist es Sache des Geschmacks des Sammlers, solche Stücke zu kaufen ..."
Also hat Peschl zum mindesten starke Bedenken selbst gegen einen Bedarfsstempel (und nur darauf kommt es an!). Doch trotz dieser Zweifel wird das Infla-Prüfzeichen, das dem Käufer doch unbedingte Sicherheit geben soll, ein Bedarfsstück zu erwerben, auf der Marke angebracht.
Hier fragen wir uns, was hat denn das Infla-Zeichen überhaupt für einen Sinn, wenn auch die Prüfstelle bei losen Stücken (und um solche handelt es sich doch nur) nicht zwischen Gefälligkeits- und Bedarfsstempel unterscheiden kann (was verständlich wäre) und trotzdem ihr Echtheitszeichen anbringt? Ist denn damit nicht die ganze Notiz im Michelkatalog betr. Inflazeichen (Katalog 1954 S. 64 u. 68) widersinnig? Wir bitten um Stellungnahme aller Sammler und vor allem auch des Bundes deutscher Philatelisten.
Kulmbach, den 29.8.1954.
Philatelisten-Club Kulmbach.
Dazu nimmt der Leiter der Infla-Prüfstelle, E. Peschl, Passau, wie folgt Stellung:
"Der Artikelschreiber geht von unrichtigen Begriffsbestimmungen aus. Das bekannte Infla-Prüfzeichen beurkundet nicht das Vorliegen einer Bedarfsabstempelung, sondern einer echten Abstemplung, im Gegensatz zu den sehr häufig vorkommenden Stempelfälschungen auf Inflamarken, die durch Rückdatierung mit echten Poststempeln oder Falschstempeln erzeugt wurden.
Eine echte Abstemplung liegt dann vor, wenn die Inflamarke während ihrer Kurszeit mit dem damals in Gebrauch gewesenen Poststempeln zu dem Zeitpunkt abgestempelt bzw. entwertet wurde, welcher in der Stempeldatumsbrücke angegeben ist, wenn also eine zeitgerechte Abstemplung vorgenommen wurde. Eine Gefälligkeitsabstemplung ist noch lange keine Rückdatierung und somit noch lange keine Stempelfälschung. Eine Gefälligkeitsabstemplung liegt dann vor, wenn eine zeitgerechte Abstemplung vorgenommen wurde, ohne daß die Marke eine postalische Funktion erfüllte. Eine solche Abstemplung ist und bleibt genau so echt, wie die. Abstemplung einer Marke auf einem Bedarfsbrief. Wir Prüfer sind keine Hellseher und können daher einer losen, gebrauchten Marke nicht ansehen, ob sie amals im Zeitpunkt ihrer Abstemplung ihre postalische Funktion auch richtig erfüllt hat oder nicht. Wir können daher nur die Echtheit des Stempels, d.h. die zeitgerechte
Abstemplung - im Gegensatz zur Rückdatierung - feststellen. Wem dies nicht genügt und wer absolute Garantie für die bedarfsmäßige Verwendung einer Marke haben will, kann diese nur dadurch bekommen, daß er die Marke auf Bedarfsbrief sammelt ...
Die Notiz bei MICHEL S. 64 spricht ganz genau von Marken mit rückdatierten Stempeln, welche gleich ungebrauchten zu bewerten seien, setzt dafür allerdings das Zeichen dahinter, das sonst für Gefälligkeitsabstemplungen in Gebrauch ist. Hier ist also eine kleine vom Katalog zu vertretende Ungenauigkeit, wenngleich die Definition selbst völlig in Ordnung ist. Wertvolle, gebrauchte Inflamarken kann man ebensowenig nur nach Prüfzeichen kaufen wie etwa klassische Marken. In beiden Fällen sagt das Prüfzeichen noch lange nichts über Qualität der Marke und des Stempels und auch nichts über die Art der Verwendung der Marke. Solche Stücke kann man nur gegen Ansicht kaufen. Für den Preis ist hier vor allem das Aussehen der Marke und des Stempels entscheidend, den Kauf selbst müßten Geschmack und Geldbeutel des Sammlers bestimmen."
Arge Danzig, Rundschreiben 231, Seite 2168.
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Added: 16/04/2011
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