Der gute Ruf der Danziger

Die Spekulation, das Schiebertum hat im Osten in Allenstein und Marienwerder, ebenso wie im Westen, in Saarbrücken und an anderen Orten des Saargebietes, in den letzten Wochen auf phila-telistischem Gebiete wüste Orgien gefeiert.

Das Wort „philatelistisch“, für das uns Briefmarkenfreunde bisher trotz aller Bemühungen noch keine treffendere deutsche Bezeichnung finden konnten, ist eigentlich zu schade, um in dieser Verbindung mit wilden Händlern und Leuten, die sich vorher nie mit Briefmarken befasst haben, zusammengekuppelt zu werden. Gefördert wurden allerdings diese privaten „Geschäftemacher“ durch die zum Teil sehr bedenkliche Art und Weise, wie die Ausgabe der Besetzungs- und Ab-stimmungs-Marken von seiten der Entende ins Werk gesetzt wurde. Bekannt sind namentlich die wenig schönen französischen Maßnahmen in der Saargegend, wo drei verschiedene Druckereien die Ausführung des Überdruckes der Germania-Marken übertragen und diese dann ohne strenge Kontrolle durchgeführt wurde. Auch in Marienwerden, hat sich bei den ersten Provisorien bedauer-licherweise ähnliches abgespielt, so dass ein vom Spekulantentum angesteckter Setzer kürzlich einen Nachdruck mit den identischen Typen veranstalten konnte, in der allerdings missglückten Absicht, ihn später in Sammler und Händlerkreisen mit großem Gewinn abzusetzen.

In unserem alten Danzig sind wir bisher von derartigen schlimmsten Auswüchsen bewahrt geblieben. Zwar tauchten anfangs (noch vor Erscheinen der Danziger Provisorien) in Stettin, Berlin und anderswo Germaniamarken mit dem Aufdruck „Freistaat Danzig“ auf; allein dieser Schwindel schien doch zu durchsichtig, um lange vorzuhalten, und die Fälscher, denen man bald auf die Spur war, dürften wenig Freude an ihrem Trick erlebt und dann die Kosten für die Druckerrechnung aufgebracht haben. In Danzig handelte es von Anbeginn ja auch nicht um Maßnahmen ausländi-scher, nicht bodenständiger Elemente bei der neuen Briefmarkenausgabe, sondern man hatte es mit staatsrechtlichen Erwägungen zu tun. Bei denen von vornherein Sammlerinteressen ausgeschlossen waren. Man ersah schon aus der wenig geschickten Inszenierung der Danziger neuen Ausgabe, die weder mit einer neuen Zeichnung, neuen Farben noch irgendwie originellen Aufdrucken, in der Art der „Commission Interalliie“ operierte, sondern die simple gradzeilige Linie Danzig wählte, dass man von seiten der zuständigen Kreise nicht auf die Börsen der Sammler spekuliert. „Von führenden Gesellen und gewissen ausländischen Briefmarkenhändlern ist allerdings in Danzig auch hier und versucht worden, im Trüben zu fischen, doch konnte man dieser Zunft bald das Handwerk legen, und eigentlich Fälschungen der Danziger Provisorien, auch der gesuchteren Werte sind bisher nicht bekannt geworden.

Wir stehen heute in Danzig in der Philatelie wie auf so manchen anderen Gebiet in diesen vom Wettergott so ausnahmsweise begünstigen Ferienmonat in einer Übergangsperiode in einer qualvollen Zwischenspiel des Abwartens der Dinge, die da kommen sollen. Was aber im besonderen unsere Danziger Postwertzeichen anbetrifft, so lässt sich doch in diesen Tagen schon annähernd in großen Umrissen voraussagen, wie sich die Dinge entwickeln werden. Als gegebene Tatsache haben die Philatelisten vorläufig mit der erfolgten Ausgabe der Werte zu 5, 10, 15, 20, 30, 50 Pf., 1,00, ,25, 1,50 2,00, 2,50, 3,00 und 5,00 Mark abgesehen von den Ganzsachen zu rechnen. Der als Hauptfrankatur so dringen benötigte 40-Pf.-Wert ist zwar längst in Berlin bei der Reichs-druckerei bestellt, aber immer noch nicht eingetroffen; er dürfe vielleicht, wenn er in der nächsten Zeit den Eisenbahntransport durch den polnischen Korridor heil und unversehrt überwinden kann, schon in der neuen Farbei des Weltpost-Vereins auf der Bildfläche erscheinen. Inzwischen ist die Nachfrage an den Postschaltern den Freistadt-Gebieten nach allen, besonders aber den Markwerten, seitens der Sammler andauernd eine so gewaltige, dass die Vorräte an verschiedenen Werten bereits bedenklich auf die Reise gingen und beispielsweise die 5-Mark-Werte überhaupt nirgends mehr zu haben ist. So musste beizeiten vorgesorgt werden, dass die Danziger Privat- und Geschäftswelt nicht eines Tages „vis á vis du rien“ stand, und die in jeder Beziehung äußerst sachlich, sparsam und nach den besten Tradition eines tüchtigen Beamtentums geleistete Oberste Postbehörde bei, wie wir hören, jede Vorsorge getroffen, um das schwierige Problem zu überwinden, denn unser leider noch immer nicht endgültig bestätigter junger Freistaat sieht sich einer Fülle von Aufgaben gegenüber, zu deren Ausführung Geld, Geld und nochmals Geld gehört. Die Steuern sind bekannt-lich in Danzig, Gott sei’s beklagt, leider schon ganz ungeheuerlich hoch, und allergrößte Sparsam-keit auf jedem Gebiete der Freistaat Verwaltung ist das dringendste Erfordernis, wenn wir, nicht von vornherein am Start zu einem neuen Aufschwunge gelähmt, zusammen brechen wollen.

Diese kleine, an dieser Stelle, aber nicht zu umgehende wirtschaftliche Abschweifung, mach genügen, um hervorzuheben, dass es sich auch in unserem Postwesen für die Zukunft um die äußerste Einschränkung handelt. Neue Briefmarken sind, wenn sie in Berlin oder anderswo bestellt werden müssen, entscheidend teuer, und werden immer teurer. Nach der zum Teil schon bewirkten Abrechnung und Verrechnung mit der deutschen Postbehörde verbleibt unserer Postverwaltung noch ein beträchtlicher Rest von allen deutschen Postwertzeichen der Germaniatype, die bekannt-lich, die bekanntlich seit dem 20.d.M. bei uns keine Postgültigkeit mehr haben. Die Bestände an einzelnen Marken, die vom Publikum bis auf weiteres noch gegen Danziger Marken umgetauscht werden müssen, eignen sich nicht zum Überdruck, falls es sich um zurück gelieferte ganze Bogen handelt. Dagegen sind im Besitze der Post immerhin noch größere Bestände an gewissen weniger verbrauchten deutschen Briefmarken und Ganzsachen vorhanden, die nun auf Veranlassung der zuständigen Stelle gesammelt und auch auf den kleinen Landpostanstalten, den Briefträgern usw. eingezogen werden. Alle diese Werte worunter sich namentlich auch die schon längere Zeit außer Kurs gesetzten Marken zu 2, 2 ½, 3 und 7 ½ Pf. befinden, werden nun zur Zeit in einer altangesehenen Danziger Privatdruckerei für postalische Frankaturzwecke den Freistaat neu „zugerichtet“, einzelne der Marken, wie z.B. die 20, 30, 50, Pf. usw., erhalten, wie wir bereits heute feststellen können, einen neuen schrägen Aufdruck von links unten nach rechts oben „Danzig“ unter Ausblockierung der Worte Deutsches Reich. Sobald es sich noch voraus zuschauender baldiger Erschöpfung einzelner, meist begehrter Markwerte als erforderlich herausstellt, werten gewisse Germania- auch mit einer neuen Wertbezeichnung überdruckt werden müssen. Bis zur Ausgabe dieser neuen zweiten Danziger Serie können aber immerhin noch drei bis vier Wochen in Land gehen, um so mehr als ein möglichst gleichseitiges Erscheinen der Provisorien geplant ist.

Wir können versichern, dass zuständigen Ortes alles getan werden wird, um die Herstellung des Überdruckes auf den Marken bei der in Frage kommenden Danziger Druckerei aufs schärfste zu überwachen…. Ein besonderer zuverlässiger Beamter wird während des Druckes ständig in den Druckereiräumen sein, die einzelnen Markenbogen sollen der Druckerei genau zugezählt werden, und es sind alles menschenmöglichen Vorsichtmaßregeln getroffen, um solche unliebsamen Missstände, wie sie z.B. in Marienwerden eintraten, zu verhindern.

Die Danziger Marken, die als Erstausgabe eines an und für sich staatsrechtlich eine ganz eigenartige Stellung einnehmenden Gemeinwesens eine ganz besondere Neuerung darstellen, dagegen über in der Welt dem größten Interesse, nicht nur in Sammelkreisen, wovon die zahllosen, Danzig über-schwemmenden Anfragen Zeuge sind. Unseren Zweistaatenmarken auch den beabsichtigten neuen, durch die Notwendigkeit gebotenen Provisorien haften keinerlei Spekulationscharakter an, und man wird an den im Betracht kommenden Danziger Stellen nicht nur bei der Behörde, sondern auch innerhalb der beiden Danziger Philatelistenvereine argwöhnisch darüber wachen und sorgen, dass bisherige „gute Ruf“ unserer interessanten hanseatischen „Verkehrsboten“ in keiner Weise geschädigt werden darf. G.O.K.

Danzig