Im Reiche hat man schon früher vom Danziger behauptet, er sei etwas langsam und allzu bedächtig in seinen Entschlüssen. Er überlegte erst lange und hätte dann meist zu spät zur Ausführung einer wirklichen Tat, einer Leistung oder auch einer guten Geschäftsidee, das andere ich, mittlerweile vor der Nase weggeschnappt hätten.
Auf die „Philatelie“, das Briefmarkensammelwesen übertragen. Schien es zu Anfang dieses Jahres fast, als sollten die Ereignisse oder vielmehr Nichtereignise den deutschen Nachbarn jenseits der Grenzen dem Freistaate recht geben. Die eigenen schon seit Herbst 1919 angekündigten Danziger-Marken ließen lang und immer länger auf sich warten. Der Wonnemonat ging vorüber, ohne der gespannt alle Vorzeichen beobachtenden internationalen Sammlergemeinde die erhofften Blüten am emporschießenden jungen Danziger Reis der Philatelie zu bescheren. Erst am 14.Juni brachte uns zugleich mit dem Eröffnungstage der Verfassungsgebende Versammlung eine in ihren Wertstufen noch nicht einmal vollständige Reihe von elf unausgereiften Briefmarken, Überdruckprovisorien mit dem von sechs schwarzen Lettern ausblockierten Deutsches Reich.
Aber es war, was an dieser Stelle hervorgehoben sein muss, nicht die philatelistische Gemeinde Danzigs, die Schuld an der Verzögerung trug; sonder das zur Bureaukratentum namentlich auch außerhalb der Freistaatgrenzen, erwies sich als Vater dieser wie so vieler anderer Hindernisse. Die Danziger Briefmarkenkundigen haben schon in früheren Jahren gezeigt, welch gesunder Kern ihren Bestrebungen zugrunde lag, und sie ließen sich auch von niemand die Butter vom Brote wegnehmen. Beweis dessen war vor allem zu damaliger, uns heute so fern liegender Zeit, da Krieg und Kriegsgeschrei noch nicht die ganze Welt verbitterten, jene ausgezeichnet organisierte und mit glänzendem Erfolge durchgeführte erste große Briefmarkenausstellung in der Peinkammer“, zu deren Gelingen, die hiesige älteste Sammlerorganisation, der „Verein für Briefmarkenkunde“, mit ihrem tüchtigem Vorsitzenden an der Spitze die reichsten Talente innerhalb ihrer Mitgliederschar aufgeboten hatte. Die packenden Plakate am Stockturm vor dem Langgasser Tor, entworfen von einem noch heute auf anderem Gebieten sehr tätigen Danziger Künstler, erschlossen damals, bildlich gesprochen auch so manchem Laien die bisher vernagelte Tür zur Peinkammer. Sie wiesen den Weg zur stillen Sammlerklause, des Philatelisten, der bei Betrachtung seiner Lieblinge, himmel-hoch jauchzen, aber auch in schwebender Pein langen und bangen kann ob seiner Schätze, die „Motten und Rost fressen“ . Das Ergebnis dieser ersten öffentlichen Briefmarkenausstellung übertraf nicht nur die materieller, sondern auch in ideeller Beziehung alle Erwartungen. Unter den annähernd tausend Besuchern zählte man eine große Menge philatelistisch wissbegierige Neulinge und Schüler, die seither meist der Sache treu geblieben sind. Zwar hat „Mors Imperator“ leider auch ihre Reihen während des grausamen Weltkriegs etwas gelichtet, aber ein Teil der damaligen jungen Sammlergarde ist inzwischen zu ersterer Beschäftigung mit der Philatelie herangewachsen, deren Reize sich mittlerweile ihnen voll entschleiert haben.
Im wunderschönen Monat Mai dieses Jahres entwickelte sich auf dem vorhandenen älteren Kultur-boden ein Spross nach dem anderen gemeinschaftlich zu einer vielzweigigen Baumkrone, in deren Schatten nun im Hochsommer ein Plan der Verwirklichung entgegen reift, für den der junge Verband Briefmarkenfreunde, Freie Stadt Danzig verantwortlich zeichnen soll.
Es handelt sich, wie die „Briefmarken-Rundschau“, der Chronistenpflicht genügend, mit Freude melden kann, um die bereite ziemlich weit gediehenen Schritte zur Veranstaltung einer zweiten, der großen Öffentlichkeit zugänglichen Danziger Briefmarken – Ausstellung. Sie ist für den Monat Oktober beabsichtigt und darf schon heute auf die tatkräftige Unterstützung hiesiger wie auch auswärtiger bedeutender Sammler und erprobter Philatelisten rechnen. Ob die Peinkammer, wie die „Briefmarkenfreunde stark hoffen, seitens der dafür maßgebenden Instanzen wieder für den belehrenden, in gutem Sinne unterhaltenden und kulturellen Zweck zur Verfügung gestellt werden kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls aber wird die an einem Sonntage zu eröffnende Veranstaltung weder am Lokalmangel noch – wie in Kassel – an fehlenden Glasplatten zum Schutze der Ausstel-lungsobjekt scheitern, da alle diese Nebenumstände bereits reiflich durchdacht worden sein.
In erster Linie wird, wie es sich für Danzig, als dem zukünftigen internationalen Umschlagplatz und Zentralort einer bedeutenden Postwertzeichen-Sammlergemeinde des philatelistischen Verkehrs und des Handels zwischen dem Osten, dem Reich und dem Ausland geziemt, es darauf ankommen, das eigene Danziger Sammelgebiet in allen Verzweigungen zur Anschauung zu bringen. Daneben aber sollen die „östlichen Markenländer, Spezialsammlungen von Deutschland und dem ehemaligen Kolonien große Briefmarkenraritäten der ganzen Welt, sowie eine außerordentlich vielseitige Kollektion neuer deutscher und fremdsprachiger Fachzeitschriften und Buchliteratur ausgestellt werden. Über alle weiteren Einzelheiten den Schluss des Anmeldetermins für Ausstellungsgegen-stände usw. wird in den nächsten Wochen an dieser Stelle noch ausführlicher zu sprechen sein.
Die Hauptsache ist, dass der junge aktive Verein mit dem Grundsatz an die Arbeit geht, „frisch gewagt, ist halb gewonnen“. Wir wünschen ihm im Interesse de Philatelie und auch Danzigs einen vollen, schönen Erfolg.
G.O.K.