Die neuen Kataloge. Michel-Nachtrag und Ubersee

Eine Kritik eines Sammler-Handbuches und besonders eines Briefmarken-Kataloges, wie es auch „der neue Michel“ ist, dar um eine sachliche Bewertung zu bringen, nicht mit allgemeinen Phrasen operieren, die den Interessanten wenig nützen, sondern muss das Ergebnis längerer praktischer Durcharbeitung der einzelnen Länder an Hand einer guten Sammlung selbst sein.
Michel bereitet seinen Freunden, die den Katalog bereits im Herbst bestellten und inzwischen die erste Auflage des Europateiles erhalten haben, dadurch eine nicht gerade angenehme Überrauschung, dass in diesen Tagen eine neue und verbesserte Umarbeitung mit inzwischen erfolgten Ergänzungen erschien, deren Anschaffung um auf der Höhe zu sein, eigentlich für alle ernsten Sammler erforderlich ist. Uns selbst lag die zweite redigierte Auflage noch nicht vor, sondern nur der erste Nachtrag vom Januar d. J., der eine sehr fleißige Arbeit der Redaktion erkennen lässt. Dankenswert ist es auch vor allem, dass Michel seine Nachträge zu einem mäßigen Jahrespreise (9,20 Mark) einschließlich Porto) erscheinen lassen will, wodurch für eine rasche Berichtigung namentlich der Preisnotizen Gewähr geleistet wird. Allerdings sehen wir in den Preis-notizen die zu heutiger Zeit ja leider von Woche zu Woche infolge der beklagenswerten Valuta-verhältnissen großer Schwankungen ausgesetzt sind, nicht das Alpha und Omega für ein brauchbares Handbuch, wie es der Michel sein soll.
In dem vorliegenden Nachtrag interessieren und vor allem die von unserem geschätzten Mitarbeiter Ernst Marré, Leipzig, erwirkte Bearbeitung der Postwertzeichen des Freistaatgebietes. Wenngleich wir hier die sorgsame Katalogisierung, die auch vor Aufzählung de wichtigsten Typen nicht haltmacht, nicht verkennen, ist es doch unsere Pflicht, hervorzuheben, dass dem Mitarbeiter verschiedene Fehler unterlaufen sind. Wir halten es einmal für nicht richtig, dass er das 1-Mark-Sternprovisorium unter Nr. 34 mit den anderen Markwerten ohne Stern zusammen wirft, anstatt diesen Wert, den 10- und 25-Sternprovisorien (Nr. 15 und 16) anzureihen. Ferner glauben wir, dass es schon der allgemeinen Übersicht halber ratsamer gewesen wäre, die gesuchten 2-, 2 ½-, 3, 7 1/2-, 10-, 40- und 80-Pfennig-Werte, deren Ausgabe keinesfalls am 20. August, sondern erst einige Zeit später erfolgte, mit den übrigen Schrägdruckmarken zusammenwerfen. In unserer in der „Brief-marken-Rundschau“ veröffentlichten Katalogisierung waren die Ausgaben nach reiflicher Über-legung und unter Benutzung amtlicher Unterlagen getrennt voneinander gehalten, und wir setzen zu unserer Genugtuung, dass auch auswärtige Sachverständige Kreise in Holland, Frankreich und England diese übersichtliche Taktik befolgt haben. Den 3-Mark-Wert (Nr. 13, I.Ausgabe) bewertet Herr Marré richtiger, als es früher die erste Auflage des Michels tat, mit 30 Mark ungestempelt und 35 Mark postalisch gebraucht. d.h. mit Recht höher als die 5 Mark, deren Wert ziemlich zutreffend mit 20 Mark angesetzt ist. Nr. 23 (Schrägdruck 15Pfennig bezeichnet Herr Marré als braunlila. Die Farbe ist jedoch ausgesprochen dunkellila ohne einen braunen Ton. Die Preise für die Werte der SchrägdurckAusgabe sind im allgemeinen richtig nach dem Stand angegeben, wie er vor etwa sechs Wochen in Danzig Geltung hatte. Es sind heute bereits beträchtlich überholt. Namentlich sind auch die allerdings weniger seltenen Werte zu 5, 10, 15, 25 und 80 Pfennig zu niedrig angesetzt. 10 Pfennig rosa ist heute wohl kaum für 8 Mark selbst bei den billigsten Händlern zu haben, die 15 Pfennig angesetzt, mit 80 Pfennig ist andererseits seltener als die mit 1 Mark bewertete 20 Pfennig lilablau. Die 25 Pfennig orangegelb, die ziemlich gefällig wirkt und bei den Sammlern sehr beliebt ist, dürfte wohl bald den sechs- bis zehnfachen Nominalpreis im Einzelkauf erreichen. Es ist mit nur 90 Pfennig angesetzt, und ebenso wurde der 80-Pfennig-Wert mit 6 Mark ungestempelt wohl für heutige Verhältnisse, etwas zu niedrig bewertet.
Die 60 Pfennig lila (sogenannte Innendienstmarke) reiht der Verfasser fälschlich unter Nr. 29 mit den übrigen Schrägdruckmarken ein und bringt im Anschluss daran als Nr. 32 und 33 hinter Nr. 31 50 Pfennig) auch die beiden „seltenen Vögel“ 1 Mark karmin und 2 Mark stahlblau (Innendienst). Übrigens sind „viel vorzügliche Fälschungen“ der Marken zu 50, 60, 75, 80 Pfennig, 1 Mark und 2 Mark, die in Steindruck ausgeführt sein sollen, glücklicherweise nicht vorhanden. Also gefälscht in Steindruck und für jeden erfahrenem Sammler sehr leicht zu erkennen, sind nur bekannt die Werte zu 50, 60 Pfennig, 1 Mark und 2 Mark. Die 75- und 80-Pfennig-Marken, bei denen sich eine Fälschung auch kaum lohnen würde, sind unseres Wissens bisher noch nicht von der sauberen Zunft der Fälscher berücksichtigt worden. Was natürlich nicht ausschließt, dass letzte später einmal ihr Handwerk auch an den heute schon so hoch im Preise stehenden Innendienstraritäten noch einmal versuchen werden. Vorläufig sitzen die bekannten Fälscher aber hinter Schloss und Riegel.
Der Nachzüglerwert 4 Mark schwarz-karmin wäre anstatt zum Schluss unter Nr. 46, richtiger hinter Nr. 13 in Ausgabe I Danzig einzureihen gewesen. Dieser Wert, der heute noch auf den Postämtern in Danzig überall zu haben ist, ist mit 9 Mark bzw. 10 Mark gestempelt zu hoch im Preis angesetzt. Dasselbe gilt von den Aushilfsmarken Nr. 43 – 45 vom November 1920, die der Sternausgabe zuzurechnen sind, anstatt gesondert aufgeführt zu werden. Nr. 43 5 Pfennig violettblau auf 30 Pfennig orange-sämisch soll nach dem Michel-Nachtrag 50 Pfennig bzw. 60 Pfennig wert sein, während auch diese Marke noch bis vor kurzem überall an den Postschaltern für den Nominalpreis zu haben war. Es ist ferner falsch, wenn der Verfasser bemerkt, dass viele Stücke der Danziger Marken überhaupt nicht am Postschalter erhältlich waren. Nicht abgegeben an das Publikum wurden nur die drei Innendienstmarken, deren ganz kleine Auflage eine Abgabe am Schalter verhinderte.
Im übrigen müssen sich gewisse Sammler einige sehr beherzigenswerte Worte zu Herzen nehmen, die wir auf Seite 3 des Nachtrages finden. Es heißt da: „Ein großer Teil der Briefe und Postkarten ist mit Bleistift geschrieben, dabei möglichst eng gekritzelt, und verschmiert und daher unleserlich. – Diese Firmen- und Namenstempel sind verschmiert und daher unleserlich, (so im Original) weil die Stempelfarbe nichts taugt. – Viele Besteller lassen die Angabe ihrer Wohnung weg. – Man nehme mehr Rücksicht auf die kostbare Zeit des Kaufmanns. – Deutsche! Beginnt endlich wieder deutlich zu schreiben! In Eurer Schrift prägt sich das ganze Elend unserer Zeit aus. Nehmt Tinte, statt Blei. – Wir sind nicht mehr im Schützengraben!“
(Der Rest des Artikels hat keinen Bezug mehr zu Danzig und wurde deshalb nicht weiter abgeschrieben.)

Danzig