von
Dr. Lierau, Danzig
Da liegen sie vor mir, die altersgrauen oder vergilbten Briefe aus unserem Osten, auf starkem, gerippten Papier – ähnlich unserem heutigen Büttenpapier, nur weit besserem als dieses. Sie sind weit über 100 Jahre alt. Ihre Schreiber deckt alle der kühle Rasen. Auch sie haben einen Niedergang unseres Vaterlandes ohnegleichen erlebt, aber doch nicht im entferntesten so furchtbar und schmachvoll wie wir. Und welch ein Aufstieg folgte danach! Glückliche, beneidenswerte Menschen!
Die ältesten meiner Briefe stammen aus den Jahren 1780. Es sind Briefe an Private und amtliche Schreiben an Behörden und Private. Briefumschläge sind noch unbekannt. Die letzte unbeschriebene Seite des kunstvoll gefalteten und gesiegelten Schreibens trägt die Anschrift. Die Schreiben an Behörden tragen die Aufschrift „An Roi“ in zierlicher Schnörkelschrift. Dass folgt die nähere Adresse „Zum Departement E. Königl. höchstverordneten Regierung á Marienwerder.“ Einige Briefe tragen den Vermerk „Per Schnellpost“ oder cito, ciitssime, citissine si place etc. und links unten: Hierbei ein Paquet worin 2 orig. Oblig. über 14 900 Mark und 10 000 Mark. Darunter wieder der Betrag des Portos, häufig in roter Tinte: „franco 18“ (Silbergroschen). Später (1810 wird die Aufschrift „An Roi“ ersetzt durch „An des Königs Majestät“ und die Frankatur heißt: „frey 9“ (Silbergroschen). Auch Postvorschuss wird genommen. Oder das Schreiben begleitet eine Geld-sendung: Hierbey 2 Fässer mit R8: 2000: und ein Beutel mit R8: 184: signiert B.C. (1790)“. Die Fässer wiegen „10 Pfund 17!“ (Loth). Auf der Rückseite begegnet mir schönen Siegeln. Alle polnischen Aufschriften kann ich leider nicht entziffern.
Vom Jahre 1813 ab (nach Friedrich Wilhelm Thalmann – Potsdam) begegnen wir den ersten Vorläufer unserer Briefmarkenstempel, dem einzeiligen Langstempel. Dieser Stempel bezeichnet nur den Abgangsort, und zwar in lauter großen lateinischen Buchstaben. Mir liegen vor: Dirschau, Mewe, Neuteich. Vom Jahre 1817 ab ist der Langstempel zweizeilig, oben steht der Abgangsort, darunter das Datum (ohne Jahreszahl, die aus dem Schreiben festzustellen ist), z.B.
(hier folgt die Abbildung eines zweizeiliger Stempels von Elbing 26. MART.
(Mart. = Martis, März.) Die Residenz in Berlin zeigt einzelne Briefe mit einem in Kursivschrift gehaltenen Stempel „Nach Abgang der Post“, während die Provinzstädte z.B. Dt.Crone, dies „nach Abgang der Post“ nur handschriftlich vermerken. An 40 verschiedene Orte des Ostens zeigen sämtlich diesen zweizeiligen Langstempel, der aber, wie alle diese Vorläufer-Stempel bis zum Jahre 1850, dem Einführungsjahre der Briefmarken in Preußen, nie die Jahreszahl trägt. Die Briefe wurden durch Briefträger ausgetragen, wie aus folgender Aufschrift hervorgeht: „Empfänger nicht zu Hause. Abromowski (Briefträger).“ Manche Briefe sind mit zahlreichen Löchern in regelmäßigen Abständen versehen, sie sind desinfiziert, kamen aus verseuchten Orten und tragen verschiedene Arten von „Sanitätsstempeln“. Sehr interessant ist ein roter, zweizeiliger Langstempel Plock auf der Rückseite mit dem Stempel Thorn als Durchgangsstempel und einer mit zwei Stempeln: Lyck und Leyny.
(Hier folgte die Abbildung eines Zweikreisstempels von Marienwerder vom 3.4.)
Im Jahre 1820 hat Marienwerder einen sehr großen Doppelkreisstempel herausgebracht, der neben anderen etwas 8 Jahre herläuft. Zwischen den beiden Kreisen steht in sehr großen Buchstaben den Ort; von dem inneren Kreise ist ein Stück herausgebrochen, um Platz zu schaffen für die mächtigen Zahlen des Datums.
Diese Stempel sind recht selten. Es folgen dann von 1825 wieder zweizeilige Langstempel, aber mit dem Datum nur in Zahlen. Auch diese liegen mir von vielen Orten des Ostens vor, z.B. Chodziesen 10.4.36), dem deutschen Kolmar in Polen. Kowalewo (Schmiedenau in Posen), Stuhm 1830), Zoppot (1838) usw.
Neben diesen Formen taucht im Jahre 1624 ein höchst merkwürdiger Stempel auf, der nach seiner eigentümlichen Form Nierenstempel genannt wird. Er stammt aus Braunsberg, Bromberg, Danzig, Königsberg, Konitz, Marienwerder (zwei Formen) usw.
Hier folgt die Abbildung eines Nierenstempels von Danzig
Seit Anfang der 30er Jahre tragen die Briefe, die Pakete begleiten, außer dem Ortsstempel noch den großen schwarzen, später roten Doppelkreisstempel mit der Umschrift H.P.K. Packkammer-Exped. Gleichzeitig zeitig auf der Rückseite des Briefes ein kleiner Ausgabestempel
Hier folgt die Abbildung einer dieser möglichen Stempel)
zu erscheinen, der Schlüsse zulässt über die Zeitdauer der Reise des Briefes. Seit 1827 beginnt dann der kleine Einringstempel alle übrigen zu verdrängen, der auch nur neben dem Ortsnamen das Datum in Zahlen untereinander trägt.
Hier werden drei Einkreisstempel von Danzig und zwei verschiedene von Marienwerder)
Er ist sehr klein und gefällig. Übrigens haben wir heute noch nicht das hohe Porto der damaligen Zeit erreicht. Ein Brief von Kulm nach Königsberg kostete 12 ½ Silbergroschen, von Karthaus nach Königsberg 8 von Lyck nach Königsberg 7 Silbergroschen. Die desinfizierten Briefe sich nicht mehr durchlocht; sie tragen einen Kastenstempel mit der Inschrift: „desinfiziert Kgl.Pr. Regierung zu Marienwerden“. Marienwerden zeichnet sich durch einen unten abgeschnittenen Einringstempel aus (siehe oben).
Seit 1829 trägt dieser kleine Einringstempel unmittelbar hinter dem Ort auch noch die Tageszeit,
(Hier folgt die Abbildung eines entsprechenden Stempel aus Danzig)
seit 1836 etwa die Stempel nicht hinter dem Ort, sondern unter dem Datum.
Gleichzeitig werden die Rundstempel immer größer erscheinen in verschiedenen Buchstabentypen und werden abgelöst von Doppelringstempeln.,
(Hier folgt die Abbildung eines Zweikreisstempels von Marienburg)
die nun wieder alle Stufen durchlaufen: ohne und mit Tagesstunde und Tageszeit. Auch hier hat Marienwerder wieder die größten Dimensionen. Sie leiten hinüber zu den Ringstempeln auf Brief-marken, wie wir sie heute sehen, und laufen neben den vielen Abarten von Kastenstempeln her, die 2. auch 3zeilig noch bis heute in Gebrauch sind.
Alle diese vorphilatelistischen Abstempelungen bilden nebst der Frankatur die Vorläufer unserer Briefmarken; sie vervollständigen eine Briefmarkensammlung auf das glücklichste, und ohne sie wäre eine Spezialsammlung Danzig z.B. nicht vollständig zu nennen
Einer unserer Zoppoter Abonnenten übermittelt uns die nachfolgenden beiden Anfragen, die mir hierdurch im allgemeinen öffentlichen Interesse der zuständigen Behörde zur Berücksichtigung unterbreiten. Er schreibt:
1. Wen gehören die zur Frankierung benutzten Marken, dem Absender, Empfänger, oder der Post? In den beiden ersteren Fällen müsste es doch entweder dem Absender oder dem Empfänger erlaubt sein, die Marken von den Postanweisungen, Postpaketadressen usw. nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, abzulösen. Dies ist jedoch nicht statthaft. Was macht aber die oft mit diesen Marken?
2. Ferner erbitte ich Bescheid, ob und seit wann bei der Post eine Verfügung besteht, nach der Überfrankierte Briefe von der Abnahme auszuschließen sind? Ich hatte einen Brief nach Lugano, dessen Frankatur (eingeschrieben durch Eilboten) 4,60 Mark betrug, am 21. April bei dem Postamte neben dem Hauptbahnhofe, frankiert mit einer 5-Mark-Marke aufgegeben. Die Annahme wurde jedoch wegen Überfrankatur verweigert.