von
Alexander Bungerz, Tegernsee
Der Wunsch, eine brauchbare Farbentafel zur Bestimmung der vielen verschiedenartigen Marken-farben zu besitzen, ist schon alt, seine ersten Ergebnisse fallen bereits in den Anfang der achtziger Jahre. Er ist auch sehr berechtigt, denn nur wenige Sammler vermögen dank ihrer genaueren Kenntnis der Farben, einen schwieriger zu definierenden Ton ohne Vergleichsfarben zu bestimmen. Es sind denn auch im Laufe der Zeit mehrere teils kleine, teils umfangreiche Farbtafeln erschienen, die dem Sammler die Feststellung der Farbe leichter machen sollen. Um es kurz vorweg zu sagen: Keine hat ihren Zweck erfüllt. Und um es ebenso kurz mitzuteilen: Keine wird ihn jemals erfüllen!
Die Sache ist nämlich nicht so einfach, und je mehr man sich mit ihr vertraut macht, desto schwieriger wird sie. Was bei flüchtigem Ansehen einfach schien, nimmt bei näherer Betrachtung immer kompliziertere Dimensionen an und wächst schließlich ins Riesengroße. Die Schwierigkeiten einer brauchbaren Farbtafel liegen in den beiden Worten; Druckfarbe und Papier.
Was unterscheidet zwei große Arten von Farben. Lasur und Deckfarben. Die ersteren „lasieren“, das heißt, sie lassen den Untergrund durchscheinen. Druckt man eine blaue Lasurfarbe auf ein gelbes Papier, so wird das Resultat nicht blau, sondern grün. Die zweite Art „deckt“ den Untergrund zu; das Resultat würde in unserem Falle also blau werden bzw. bleiben. Im großen und ganzen zeigen Laserfarben mehr den Charakter bunter Glasfenster, während Deckfarben stumpfer aussehen. Da nun also die gleiche Nuance in beiden Arten etwas anders wirken würde, wäre man gezwungen, zwei parallele Farbtafeln nebeneinander zu brachen, eine mit Lasur, die andere mit Deckfarben hergestellt.
Das Papier spielt für die Deckfarbe keine große Rolle, da ja zugedeckt wird. Desto mehr fällt es aber bei der Lasurfarbe ins Gewicht. Rein weißes Papier gibt es ebenso selten, wie reines Schwarz! Es hat fast stets einen Stich ins Graue, Gelbe, Rote, Grüne, Braune usw. Den Beweis kann jeder Leser dieses Blattes an den Ton der Zeitung an einem beliebigen „weißen“ Briefbogen und an einem Markenbogen anstellen. Nimmt er dazu noch zehn weitere Zeitungen oder Blätter, die alle auf weißem Papier gedruckt sind, so erhält er zehn weitere weiße Farbabarten. Eine Laserfarbe, auf diese verschiedenen Weiß gebracht, wird natürlich immer einen etwas, wenn auch wenig verschie-denen Charakter zeigen. Die Farbtafel müsste demnach um gerechten Ansprüchen zu genügen, auch auf Papier von verschiedenem Weiß gedruckt werden – sagen wir mal auf reinweiß, grauweiß, gelb-weiß und blauweiß -, wir können also schon auf fünf Paralleltafeln.
Dass dieses heute praktisch nicht durchzuführen ist, liegt wegen der ungeheuren Kosten klar auf der Hand. Die Sache ist aber noch bedeutend verwickelter; das vorstehend Gesagte war nur der Anfang. So gilt jetzt, die verschiedenen Farbtöne zu drucken. Nehmen wir das Beispiel wegen nur einmal purpur an. Purpur entsteht aus rot und blau. Nun gibt es von rot als hervorstehende Töne: Zinnober, karmin und die roten Erdfarben, wie englischrot, persischrot, pompesanischrot, venetianischrot, Terra, Pozzuoli, gebrannter Ocker usw. Von blau nehmen wir nur ultramarin und die Zyankali-verbindungen, wie preußischblau, Pariser Blau, Berliner Blau usw, sodann Cölinblau. Jeder von diesen roten und blauen Töne zusammengemischt, ergibt einen Ton, der auf der großen Skala von violett über purpur zu lila liegt. Aber wie verschieden ist jeder dieser Töne! Eine einfache und dabei einwandfreie Bezeichnung für die Menge der violettlila Nuancen zu geben, ist schlechterdings unmöglich das hätte nicht einmal Böcklin fertig gebracht, der doch von Farbe allerhand verstanden haben soll! Um wie viel weniger Ostwald, der es mit Bezifferungen versuchte! Das geht natürlich noch weniger an, denn „grau ist alle Theorie“, und mit Ziffern kann man keine Farbe bezeichnen, ebenso wenig wie man mit „Bimbam“ das Geläute der Glocken dem Leser zu Ohren bringen kann.
Die Summe von Tönen auszurechnen, die sich aus der Mischung der vorstehend verzeichneten Farben ergeben würde, überlasse ich einem Mathematiker. Und alle diese Farben und noch viel mehr müssten genannt werden, um einigermaßen den Begriff purpur mit seinen Schwankungen nach rot und blau hin klarzumachen, multipliziert mit den erwähnten vier Papierarten usw.
Es kämen dann die anderen Mischfarben erster Ordnung: Orange und grün; ferner die weiteren Mischfarben braun, oliv, schiefer, sowie die Reihe grau bis schwarz. Alles das zusammen genommen würde meiner oberflächlichen Schätzung noch ein paar Bände Lexikonformat ergeben. Um also einen Nutzen von dieser Farbtafel, die man eher einen Farbkasten nennen könnte, zu haben, müsste jeder Sammler dieses Werk besitzen. Und jeder Katalogherausgeben müsste Bezeichnungen ebenfalls nach demselben wählen. Nähme man dann eine einfache 10- oder 20-Pfennig-Marke zur Hand, so wäre es absolut nicht ausgeschlossen, dass man diese Töne noch nicht finden würde, weil z.B. bei dem dünnen Papier der Marke der etwas gelbe Gummi durchgeschlagen war, der der Marke einen derart gelben Schein verlieh, dass keine Farbtafel der Welt darauf vorbe-reitet sein konnte. Oder eine entsprechende Bezeichnung im Katalog für eine bestimmte Marke stimmt nicht mit dem zur Hand befindlichen Exemplar überein, weil die Marke von einen anderen Druckauflage stammt, die im Ton ein wenig anders geraten war!
Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren. Sehen wir nun nach Kenntnisnahme des Geschilderten die schon vorhandenen Farbtafeln an, so erkennt man ohne weiteres, woran es liegt, dass sie den Ansprüchen nicht genügen: sie waren alle viel zu klein, zu wenig umfangreich. Ein von B.W. Marhurst herausgegebenes „Colour Dictionary“ bestand aus 10 Tafeln mit 40 Hauptdruck-farben, einem farbigen und einem graphischen Stern, welche den Übergang der Farben erläutern sollte. Im Text wurden die betreffenden Nummern der amerikanischen „Color Shart!“, die von der National Philatelica Society herausgegeben und von der American Bank Note Co 1884 gedruckt wurde zum Vergleich angeführt. Das Werkchen erschien 1899 bei Stanley Gibbons, London.
Die Firma Gebrüder Senf gab 1889/90 ihrem „Illustrierten Briefmarken-Journal“ 18 Farbtafeln mit, die je vier Farbtöne zeigten, aber keine Farbenbezeichnungen, sondern nur Ziffern trugen. Die von Hauptmann P. Ohrt herausgegebenen Germania Farbtafeln waren schon reichhaltig; sie erhielten 1873 Töne, erschienen 1906 und waren mit Farben von Berger & Wirth von J.J.Weber in Leipzig gedruckt. Sie waren ursprünglich als Vorlagen für den Buntfarbendruck bestimmt und enthielten infolgedessen Fabrikationsbezeichnungen wie Viktoria-grünlack 1 L., oder Ziegelrot 3,43 usw.
Die von Regierungsrat F. Genth herausgebrachte „Farbenstern“ ist wegen seiner unrichtigen Bezeichnungen unbrauchbar; die kürzlich von Ernst Marré herausgegebenen „Farbtafeln“ sind schon brauchbarer, wenn auch sie wegen der nur 128 Bezeichnungen zu klein sind.
Eine Lösung der Frage der Farbentafeln und der Farbenbezeichnungen überhaupt ist nur in der Vereinfachung zu finden. Nicht in der Spezialisierung; ich wies bereits in meinem Artikel „Über Farbenbezeichnungen in der Philatelie“ im „Illustrierten Briefmarken-Journal!“ 1917 darauf hin. Der Sammler interessierte sich ja bekanntermaßen für die Unterschiede der Farben gewöhnlich nur dann, wenn eine Marke in zwei Farbstufen vorkommt, von denen die eine billig, die andere aber selten ist, wie bei Preußen 1866 2 Silbergroschen; die gewöhnlich blaue ist häufig, die preußischblaue selten. Welche habe ich nun? Das ist die Frage, auf deren Beantwortung er natürlich auch ein Recht hat. Eine Farbtafel, die ihm also den Unterschied zwischen ultramarin und preußischblau in verschiedenen Graden de Helligkeit klar machen kann, genügt ihm für diesen Fall. In der Tat ist es für den Sammler ja auch völlig gleichgültig, ob eine blaue Marke in irgendeinem Satz in dem sonst kein blau mehr vorkommt, hallblau, milchblau, wasserblau, marineblau, lichtblau, delfterblau oder sonst wie bezeichnet wird. Nur da wo eine bestimmte Farbabart selten ist, muss eine genauere Bezeichnung Platz greifen. Handelt es sich hier nur um zwei oder drei verschiedene Abarten, so ist die Sache sowohl für eine Bezeichnung, wie eine Farbtafel ziemlich einfach. Bei mehr aber würde die Geschichte kritisch. Ich besaß z.B. in meiner Sammlung deutscher Kolonial-marken 20 verschiedene blaue 20-Pfennig-Marken von Kamerun 1897. Jede Farbe war von der anderen deutsch zu unterscheiden. Ihre Bezeichnung aber oder Abbildung und Auffinden in einer Farbtafel wäre unmöglich gewesen.