Ein Streitfall der für die gerichtliche Sachverständigen Begutachtung von Briefmarken von grund-sätzlicher Bedeutung ist, wird in der Prager Presse veröffentlicht. Wir bringen ihn hier des allge-meinen Interesses halber im Auszug:
Ende Oktober d.J. wurde vor dem Landesgericht in Prag eine Klage des Herrn Amtsbüchler – Reichenberg gegen Herrn Fr. Sasek, Prag verhandelt. Beide Herrn sind Briefmarkenhändler. A. übersandte S. eine österreichische 10-Kronen-Marke mit dem Überdruck Posta Ceskoslovenska 1919“ auf Faserpapier und forderte für diese den Preis von 5000 Tschechokronen. Da der gerichtliche Sachverständige und bekannte spezielle Markenkenner dieser Überdruckmarken, Herr J. Leseticky in Prag nicht anwesend war, ließ Sasek die fragliche Marke durch den Sachverständi-gen Ing J. Sula prüfen, der sie als Falsifikat bezeichnete. Der Briefmarkenhändler Amtsbüchler verweigerte jedoch die Rücknahme und reichte gegen Sasek Klage auf Zahlung der 5000 Kronen ein. Die klagende Partei nahm sich als Privaten Kenner den ehemaligen Postmeister Herrn Hanus zur Hilfe, während die beklagte Partei als Sachverständigen Zeugen Ing.J. Sula bezeichnete. Das Gericht berief als ständigen gerichtlichen Sachverständigen für das philatelistische Gebiet beim Handelsgericht Prag, Herrn Leseticky. Das Verfahren in erster Instanz wurde nicht beendet, aus Gründen die mehr als merkwürdig erscheinen. Der Gerichtssachverständiger Leseticky erklärte nämlich, dass er sofort ein Urteil über das Streitobjekt angeben könnte, falls es ihm vorgelegt werde. Der von der klagenden Partei gestellt Sachverständige, Postmeister Hanus verlangte jedoch, dass ihm die Marke auf 14 Tage in seine Wohnung gegeben werde, damit er auf diese Weise Gelegenheit zu einer eingehenden Prüfung erhalte, worauf das Gericht auch einging.
Bei der zweiten Verhandlung am 5. Dezember d. J. bezeichnete der Gerichtssachverständige J.Leseticky die erwähnte Marke als Fälschung hinsichtlich des Überdruckes. Diese Begutachtung deckte sich also mit der des anderen, nicht gerichtlichen Sachverständigen Ing. J. Sula. Postmeister Hanus vertrat jedoch nach wie vor die Ansicht, dass der Überdruck echt sei. Ungeachtet des über-einstimmenden Urteile zweier kompetenter Sachverständigen, von denen der eine gerichtlich vereidigt ist, schloss sich der Gerichtsversitzende dem Antrage der Klagepartei auf Berufung eines Obersachverständigen an. Der Vertreter der Beklagten, Dr. Rix, selbst gerichtlicher Sachverständi-ger in philatelistischen Angelegenheiten erklärte, dass es einen dritten Spezialkenner und Prüfer dieser Marken überhaupt nicht gäbe, und dass über das gleich lautende Urteil zweier anerkannter Markenprüfer ein dritter Philatelist der nicht Spezialkenner auf dem Gebiete der strittigen Marke ist, nicht entscheiden könne. Da das Gericht dem Antrage der klagenden Partei, wie oben erwähnt, stattgab, beantragte Dr. Rix für die Beklagte gleichfalls einen Sachverständigen und zwei einen gerichtlichen. Die Verhandlung wurde vertagt und das Gericht wird entscheiden, wen es als Obersachverständigen vorladen will.
Da das Verfahren noch schwebt. Unterbleibt am besten jegliche Kritik. Immerhin wird es von allge-meinen Interesse sein zu erfahren, welche Entscheidung das Gericht hinsichtlich der Sachverstän-digenfrage getroffen hat. Denn es ist von prinzipieller Bedeutung über den Rahmen eines Einzel-falles hinaus, ob das Urteil eines gerichtlichen Sachverständigen durch die Beurteilung einer Person, die von einer Klagepartei als sachverständig angeführt wird, umgestoßen werden kann. Über den Fall wird nach beendeten Verfahren noch berichtet werden.