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Gallery » Arge Danzig, Rundschreiben 114 - 22. März, 1982 » Bericht über meine Jahre in Danzig

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Zumal der Staat andere Sorgen hatte: So zum Beispiel war der äußerste Südost-Zipfel Polens, die Ostbeskiden, von Ukrainern bewohnt, die als Nationalisten mit Waffeneinsatz gegen die polnische Staatsgewalt rebel-lierten. Der Staat reagierte mit Einsätzen von Truppenverbänden, deren General Swierczeski 1947 aus dem Hinterhalt von der UPA (Ukrainische Befreiungsarmee) niedergeschossen wurde. (Polen Michel Nr. 726/727 zum 5 Todestag dieses Generals). Später wurde die gesamte ukrainische Bevölkerung umgesiedelt und über Polen verstreut. In Danzig gab es auch eine Niederlassung des Ukrainischen Kulturbundes, der das Brauchtum der polnischen Bürger ukrainischer Volkszugehörigkeit pflegte.

Mein erste Arbeit in Danzig war als Handlanger beim Abbrennen von zerstörten Hafenkränen am Weichselbahnhof. Danach wurde ich Brückenbauer in Guteherberge, wo eine Gruppe von sechs ehemaligen Danzigern eine Holzbrücke über den Radaunekanal baute. Im Dorf wohnten größtenteils Bauern aus "Zzabuga", d.h. aus den Gebieten "von hinter dem Bug", aber auch einige deutsche Frauen, deren Männer gefallen oder vermißt waren, wie ich mich zu erinnern glaube. Zur Einweihung der Brücke - sie ersparte kilometerlange Umwege - wurde unsere Kolonne mit dem Meister vom Dorfschulzen zum Festessen eingeladen. Natürlich standen die Literflaschen mit Vodka auf dem Tisch, daneben frisch ausgelassener Speck im noch flüssigen Schmalz, in welches das Brot getunkt wurde - als Magenpolster für den 45=%igen Alkohol.

Abends ging ich fleißig in die Schule, um das Polnische zu erlernen, was mir bei meiner polyglotten Natur nicht schwer fiel, und so konnte ich im Januar 1948 meinen Beruf als Schiffsmakler beginnen, zumal ich ja schon zwei Fremdsprachen, nämlich Deutsch (I) und Englisch (daneben etwas Französisch) perfekt beherrschte.

Die Französisch-Kenntnisse hatte ich auf der Horst-Wessel-Oberschule (vorher Friedrich Wilhelm Realgymnasium) bei Studienrat Neubrand erworben.

(Anmerkung der Arge: Herr Paul Neubrand war Bearbeiter der Kataloge "Von Neumann's Handbuch der Danziger Marken" sowie Verfasser zahlreicher Artikel und Abhandlungen und eines der Mitglieder der Arge Danzig.)

Die Arbeit als Schiffsmakler lag mir, und ihr bin ich bis zu meiner Aus-reise 1971 treu geblieben: Anfangs in einer Privatfirma, die später doch noch verstaatlicht wurde, und letztlich in der einzigen durch Fusion entstandenen staatlichen Schiffsagentur. - Nach Übersiedlung mit meiner Familie nach Hamburg. bin ich in der hiesigen Lloyd's Agentur tätig, vorrangig im Sektor der Transportschäden.

1947 war die Innenstadt von Danzig noch ein einziges Ruinenmeer, manche der schmalen Nebengassen waren noch vom Schutt der Ruinen zugedeckt, doch von Jahr zü Jahr machte sich der Wiederaufbau bemerkbar. Eine große Leistung war die Rekonstruktion des Kernstücks der Stadt mit Langgasse und Langer Markt. Dabei wurden ungeachtet der Wohnungsnot viele mittel investiert und ein großes Arbeitspotential gebunden, welches eigentlich dem normalen Wohnungsbau entzogen wurde. Doch darf sich das Resultat wirklich sehen lassen: Man hatte nach Möglichkeit alte Fotografien, Stiche, Zeichnungen und Belege ausgewertet und danach gebaut und - das ist nicht nur meine Meinung - viele Verschandelungen des Merkantilismus des 19. und 20. Jahrhunderts nicht mehr in der Architektur auftauchen lassen. - So ist natürlich auch das Straßenbild nicht eine Miederherstellung des Vorkriegszustandes, sondern ein Kompromiß von Restauration, Anpassung (wie als Beispiel die Verkleidung des Backsteinbaus der alten Hauptpost) und Neuschöpfung in Anlehnung an mittelalterliche Vorbilder. So entstanden auch auf dem Langen Markt Säraffitoelevationen, zu deren Herstellung man extra Künstler aus Italien hatte kommen lassen. Die zerstörte Marienkirche wurde wieder aufgebaut.

Auf jeden Fall ist erwähnenswert der zügige Ausbau des Straßenbahnnetzes, es gibt jetzt eine S-Bahn von Neustadt über Gdingen-Danzig bis Praust.

 

Rundschreiben 114, Bericht über meine Jahre in Danzig 1947-1971, Edward B. Krause, Seite 2.


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Added: 08/12/2015
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