>> Stutthof, ein in Deutschland fast unbekanntesKonzentrationslager
von Brigitte Jäger-Dabek
Stutthof war in erster Linie Arbeitslager. Die meisten Häftlinge arbeiteten als Sklaven in SS-eigenen Betrieben wie den Deutschen Ausrüstungswerken (DAW) di-rekt neben dem Lager, in Lagerwerkstätten, in anderen Betrieben und Werken, in den Ziegeleien der Umgebung sowie in der Landwirtschaft.
Die hohe Sterblichkeitsrate war nicht Resultat organisierter, industrialisierter Ausrottung, sondern Ergebnis der miserablen hygienischen Zustände, der katastro-phalen Unterbringung und der völlig unzureichenden Ernährung. So war es dann kein Wunder, das es schon im Winter 1942/43 zu einer ersten großen Typhus-Epidemie kam, der bald eine Fleckfieber-Epidemie sowie eine weitere Typhusepidemie folgten. Da halfen auch nicht die zwei- bis vierwöchigen Quarantänen für neuankommende Transporte. Eine Versorgung der Erkrankten fand überhaupt nur soweit statt, wie sie ein Ausbreiten der Epidemien verhinderte. Juden durften ohnehin nicht behandelt werden; die halb verhungerten Kranken hatten keine Chance. Die vielen Erschießungen - auch mit der eigens entwickelten Genickschußanlage - und unsägliche Misshandlungen taten ihr Übriges. Kranke und völlig entkräftete Insassen wurden im Krankenrevier mit Gift- oder Benzinspritzen getötet.
Im Frühjahr 1944 wurde eine Gaskammer gebaut, die einerseits der Entlausung von Bekleidung dienen sollte und ab dem Sommer auch zum Vergasen von Menschen genutzt wurde. Die Stutthofer Gaskammer war allerdings klein, ihre Kapazität reichte nicht aus. So wurden immer wieder Häftlinge in besonders abgedichteten Eisenbahnwag-gons der ins Lager führenden Kleinbahn vergast.
Die militärische Situation verschlechterte sich seit Sommer 1944 ständig. Mit dem russischen Großangriff im Januar 1945 setzte Chaos und Desorganisation ein, da Ostpreußen nicht rechtzeitig evakuiert worden war. Auf ein Telefonat des Danziger Gauleiters Forster mit Goebbels vom 22. Februar 1945 gab dieser wegen der Gefahr eines Aufstandes der Häftlinge den Räumungsbefehl. Am 25. Januar 1945, als die sowjetischen Truppen nur noch wenige Kilometer entfernt waren, befahl Kommandant Paul-Werner Hoppe die Evakuierung des Lagers ins Reich. Nur Kranke und solche Häftlinge, die für die Lagerauflösung gebraucht wurden, sollten bleiben. Wahrscheinlich waren noch etwa 47.000 Häftlinge (davon 35.000 Juden) im Lager. Es wurden Marschkolonnen von je 1.000-1.500 Häftlingen gebildet, die durch die kaschubische Schweiz Richtung Lauenburg marschierten. Zwischen den Kolonnen lagen jeweils 7 km, und beaufsichtigt wurde jede der Kolonnen von 40 Wachmännern. Die Häftlinge waren bei bitterer Kälte und Schnee halb verhungert, völlig unzureichend bekleidet - viele ohne Schuhe – und hatten kaum Verpflegung (für zwei Tage). Auf sieben Tage war der Marsch angesetzt; er dauerte aber 10 Tage. Wer nicht mehr weiter konnte, also marschunfähig war, wurde erbarmungslos erschlagen oder erschossen (mindestens 700). Die letzten Kolonnen stolperten über die Leichen der vorangegangenen. Niemand weiß, wie viele es waren auf diesen Todesmärschen; niemand weiß, wie viele starben. Man kann nur annehmen, daß es ungefähr 10.000 Häftlinge waren, von denen mehr als die Hälfte starb.
Sowjetische Truppen befreiten die Überlebenden im März 1945 in Pommern. Tausende wurden schon Mitte Januar 1945 nach Osten in Richtung Königsberg geschickt, wahrscheinlich zum Ausbau der "Festung", was aber im einsetzenden Chaos nicht mehr möglich war. Die Stadt stand kurz vor der Einschließung. In diesen bitter-kalten Wintertagen mit Schneestürmen und klirrendem Frost von manchmal mehr als -20° C lagerten die Häftlinge schutzlos im offenen Gelände; niemand weiß, wie viele erfroren. Dennoch wurde ihre Zahl immer größer, denn Tausende wurden aus den zahlreichen über Ostpreußen verteilten Außenlagern vor der heranrückenden Roten Armee hierher gejagt. Von hier aus wurden die Häftlinge nach Palmnicken getrieben. Erbarmungslos wurde jeder strauchelnde oder entkräftete Häftling erschossen oder erschlagen. Eine Blutspur markierte den Leidensweg; Tausende starben. Im Palmnicken wurden die Häftlinge ins Bernsteinwerk an der Ostsee getrieben. Am 31. Januar 1945 wurden am Strand unzählige jüdische Häftlinge von der SS massakriert. Hunderte wurden mit Maschinengewehrfeuer in die Ostsee gehetzt, andere im Hof der Bernsteinfabrik abgeknallt; nicht viel mehr als ein Dutzend überlebte.
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Arge Danzig, Rundschreiben 211, Seite 1501.
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Added: 08/02/2008
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