>> Geschichte und Schicksal der Danziger Juden – eine Spurensuche
Der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund war der größte und einflussreichste antisemitische Verband in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg und einer der größten und wichtigsten Vertreter der völkischen Vereinigungen in der Weimarer Republik, deren demokratisches System er radikal ablehnte. Nach dem Mord an Reichsaußenminister Rathenau im Juni 1922 wurde der Trutzbund wegen seiner Verwicklung in die Affäre in den meisten Ländern des Deutschen Reichs verboten. Auch die Attentate auf Matthias Erzberger und Philipp Scheidemann unterstützte der Trutzbund.
Im Jahre 1920 erreichte Danzig die nächste Welle jüdischer Flüchtlinge, die vor der bolschewistischen Offensive aus Ostpolen flohen. Für die freie Stadt Danzig war kein Visum vonnöten, daher war sie für Durchreisende ideal. Die Danziger Behörden und die örtliche jüdische Gemeinde waren dem Ansturm kaum gewachsen. Die Unterbringung im provisorisch geschaffenen Wanderlager Troyl galt als menschenunwürdig.
Zwischen 1920 und 1925 wanderten ca. 60.000 Juden über Danzig nach Nordamerika aus. Tausende jüdischer Flüchtlinge blieben aber in Danzig und ließen sich nieder; die jüdische Bevölkerung wuchs in den 1920er Jahren bis auf 12.000 Menschen an. Die Juden in Danzig waren an dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt maßgeblich beteiligt, vor allem im industriellen Sektor und im Transithandel. Es kamen viele gebildete Personen nach Danzig, die im Zuge der russischen Revolution ihre Posten verloren hatten: Wissenschaftler, Beamte, Bankiers, Fabrikanten und Kaufleute. Viel größer aber war die Gruppe der mittellosen Juden, die nach Danzig zog. Für sie wurden Suppenküchen und Kleiderkammern eingerichtet.
Einzug der Nationalsozialisten in Danzig
Danzig war eine der Hochburgen von Deutschkonservativen und später von national-sozialistischen Gruppen. Im Jahr 1930 wurde der extrem antisemitische Albert Forster Gauleiter von Danzig. Bereits bei den Wahlen am 16. November 1930 wurde die NSDAP zweitstärkste Partei. Mit der Wahl vom 28. Mai 1933 erlangten die Nationalsozialisten im Volkstag die absolute Mehrheit, waren jedoch nicht in der Lage, die im Deutschen Reich geltenden Ausnahmegesetze gegen die Juden auch in Danzig durchzusetzen. Allerdings versuchten sie, den im Reich für den 1. April 1933 vorgesehenen Judenboykott in Danzig nachzuahmen. SA-Männer verteilten Flugblätter und überwachten jüdische Läden. Diese Aktion hatte weder die Genehmigung der Regierung noch die aktive Unterstützung der Danziger Polizei, auch fand der Boykott bei der Danziger Bevölkerung keine Resonanz. Anders als im Reich gab es keine Ausschreitungen, Schließungen von Läden oder Belästigungen von Käufern.
Anfangs fühlten sich die Danziger Juden durch den Schutz des Völkerbunds noch sicher. Zwischen 1933 und 1936 gab es in Danzig keine direkten gesetzlichen Beschränkungen für Juden. Außerdem wurde die Sicherheit der Ostjuden verbürgt, sie konnten sich bezüglich ihres Schutzes auch an die polnische Regierung wenden.
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Literaturbeilage 201, Bernd Marczinke, 9. November 2016, Seite 3.
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Added: 24/01/2017
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