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28. Juni 1919: Deutschland unterzeichnet den Versailler Vertrag
Martin Jenrich, Tel. 020-9914166, martin.jenrich@web.de
Am 11. November 1918 endet der Erste Weltkrieg mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens zwischen Frankreich, Großbritannien und den USA - der sogen Triple Entente - und den Mittelmächten Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und Osmanisches Reich in einem Eisenbahnwagen bei Compiègne, nördlich von Paris. Zum Ende des Krieges standen knapp 24 Millionen Soldaten der Mittelmächte 42,2 Millionen Soldaten der Alliierten gegenüber.
Der Waffenstillstand beendet zwar die Kampfhandlungen, nicht aber den Kriegszustand. Deshalb beraten die Siegernationen mit ihren Verbündeten monatelang über einen Friedensvertrag. Das besiegte Deutschland wird an den Verhandlungen nicht beteiligt, denn der Hass ist groß. Der vierjährige Krieg ist nicht auf deutschem Boden ausgetragen worden, die Schlachten haben aber große Teile Belgiens und Frankreichs verwüstet. Vor allem die Franzosen wollen ihren Erzfeind Deutschland für immer schwächen. Harte Friedensverträge haben damals Tradition: Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 gründete Reichskanzler Otto von Bismarck im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich. Diese Kaiserproklamation in Versailles war eine Demütigung für das besiegte Frankreich, das Kriegsentschädigung bezahlen und Elsass-Lothringen abgeben musste.
Der Vertragsentwurf konstatiert die alleinige Verantwortung Deutschlands und seiner Verbündeten für den Ausbruch des Weltkriegs. Er wird dem deutschen Außenminister Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau (parteilos) am 7. Mai 1919 ausgehändigt. Dieser hält seine Stellungnahme dazu aus Protest sitzend: "Es wird … verlangt, daß wir uns als die Alleinschuldigen am Kriege bekennen. Ein solches Bekenntnis wäre aus meinem Munde eine Lüge." Die deutsche Delegation kann erst am Schluss durch schriftliche Eingaben wenige Nachbesserungen des Vertragsinhalts erwirken. Insgesamt aber bleiben die Sieger hart.
Ihre Bedingungen: Deutschland verliert ein Siebtel seiner Fläche und ein Zehntel seiner Bevölkerung, zudem alle Kolonien und die Hochseeflotte. Die linksrheinischen Gebiete werden bis zu 15 Jahre lang besetzt, die Saargruben fallen für die gleiche Dauer an Frankreich. Deutschlands Armee wird auf 100.000 Mann begrenzt, Panzer werden verboten, genauso Flugzeuge und UBoote. Dazu kommen Reparationszahlungen. In Deutschland herrscht Entsetzen.
"Hier wird ein besiegtes Volk an Leib und Seele vergewaltigt wie kein Volk je zuvor", sagt Reichsministerpräsident Gustav Bauer (SPD) vor der Nationalversammlung. Trotzdem appelliert er an die Abgeordneten, zuzustimmen, denn bei Ablehnung des Vertrages droht ein alliierter Einmarsch ins Reich und die Aufteilung Deutschlands in Kleinstaaten.
Deutschland wird ultimativ aufgefordert, den Vertrag zu unterzeichen. Daraufhin tritt die Regierung zurück, aber die neue fügt sich. Außenminister Hermann Müller (SPD) und Verkehrsminister Johannes Bell (Zentrum) reisen nach Versailles und unterschreiben am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal die Urkunde mit den 440 Artikeln. Die Artikel 100 bis 108 regeln die Grundlagen zur Gründung der „Freien Stadt Danzig“.
Nach der Ratifizierung und dem Austausch der Urkunden tritt der Versailler Friedensvertrag – wie er offiziell heißt – am 10. Januar 1920 in Kraft.
Weil die Siegermächte das Deutsche Reich von den Verhandlungen ausgeschlossen und ihm nur am Schluss schriftliche Eingaben gestatteten, macht das Schlagwort vom „Versailler Diktat“ die Runde. Der Widerstand der Reichsregierung gegen den Vertrag wird von einem nahezu lückenlosen Konsens im ganzen Land getragen.
Deutschland unterzeichnet in der Spiegelgalerie des Versailler Schlosses den Versailler Vertrag.
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Arge Danzig, Rundschreiben 264, 3. Quartal 2019, Seite 3365.
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Added: 08/07/2019
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