Wo befand sich denn nun wirklich die Post in Bodenwinkel?
[Martin Jenrich, Tel. 030-9914166; E-Mail: martin.jenrich@web.de]
Vom 29. Juni bis zum 4. Juli 2008 war ich – wie schon seit vier Jahren – mit einem guten Freund, nämlich Dieter Bronisch aus unserer ARGE, wieder einmal mit dem Pkw im ehemaligen Freistaat-gebiet Danzig unterwegs, um Dinge zu erkunden, die man i. allg. nirgends nachlesen kann. Als Hauptaufgabe hatten wir uns vorgenommen, herauszubekommen, wo sich in Bodenwinkel die Post befand.
Vor drei Jahren suchten wir Rudolf Frischkemut, der im Fernsehen von der Frischen Nehrung berichtete. Wir nahmen an, dass er in Bodenwinkel (poln. K?ty Rybackie) zu Hause wäre, und fragten deshalb dort eine ältere Frau, die gerade vom Friedhof kam, ob sie ihn kenne. Sie bejahte das, meinte aber, dass er nicht in Bodenwinkel, sondern in Stutthof (poln. Sztutowo) wohnen würde. Allerdings wusste sie nicht, wo. Wir fuhren also nach Stutthof und fragten einen älteren Mann auf dessen Hof, ob er Rudolf Frischkemut kenne und auch wüsste, wo er wohne. Das Glück war uns hold: Er kannte ihn und wusste auch dessen Adresse. Da der Mann aber nur polnisch sprach, baten wir ihn ins Auto, damit er uns den Weg zeige. Später stellte sich heraus, dass beide einmal zusammen gearbeitet haben.
So lernten wir den Deutschstämmigen Rudolf Frischkemut, der als junger Mann nach 1945 in Polen blieb, und dessen Frau kennen. Sie bewohnen beide das wohl älteste Haus in der Danziger Straße 1 (poln. ulica Gda?ska), die weiter nach Bodenwinkel führt. Beide sprechen sehr gut Deutsch, und der Kontakt war sofort hergestellt. Wir erklärten, was uns antrieb: Die Philatelie des ehemaligen Freistaates Danzig.
Auch im darauf folgenden Jahr besuchten wir ihn, und 2008 Jahr brauchten wir nun seine Hilfe, um herauszubekommen, wo in Bodenwinkel die Postagentur untergebracht war. Die bisherigen Erkenntnisse in dieser Sache wurden von uns immer mehr in Frage gestellt.
Wir nahmen dieses Jahr Logis in der Pension „Unter dem Kastanienbaum“ (poln. ‚Pod kasztanem) in Schönbaum (poln. Drewnica) bei Harri Lau - einem Deutschstämmigen - und seiner Frau Halina. Er spricht sehr gut Deutsch und zeigte uns noch am selben Abend die Post in Schönbaum, die sich noch immer im Gebäude der ehemaligen deutschen Post befindet, inzwischen aber zum Postbereich Steegen (poln. Stegna) gehört.
Von Schönbaum ist es nicht weit nach Stutthof. Dieter Bronisch hatte uns noch aus Deutschland telefonisch bei Frischkemuts angekündigt. Wir fuhren also hin. Nach einigen Erklärungen unserer-seits suchten wir zu dritt eine Frau in Stutthof auf, - auch deutschstämmig, mit Mädchenname Mielenz (!) – die zwar viel wusste, aber nicht, wo sich in Bodenwinkel die Post befand. Allerdings meinte sie, dass wir dort eine Frau namens Irma Malinowska suchen müssten, die uns weiter-helfen könnte. Wo diese Frau wohnt, konnte sie nur vage beschreiben: am hinteren Ende Bodenwinkels an der Dorfstraße. Wir fuhren also nach Bodenwinkel und begannen die Suche – zusammen mit Rudolf Frischkemut – von zwei Seiten. Dieter Bronisch fand mit seinen beschei-denen Polnischkenntnissen schließlich die Tochter, die uns dann auch einließ und mit ihrer Mutter zusammenbrachte.
Diese letzte Zeitzeugin des Jahrgangs 1925 in Bodenwinkel war bereit, unsere Fragen zu beantworten. Zuerst ging es darum, warum das Postaufkommen aus Bodenwinkel offensichtlich klein war. Das lag mehr oder weniger daran, dass es sich in der Mehrheit um Fischer handelte, die dort wohnten. Ob es viele Analphabeten gegeben hätte, fragte ich. Entrüstet wurde mir geantwortet, dass jeder Schüler die 8. Klasse zu absolvieren hatte, auch, wenn er dazu mehrere Anläufe brauchte. Und ob sie denn wisse, wo die Post war, fragten wir. Da stellte sich heraus, dass ihre beste Freundin, die Post-Elfriede, in eben diesem Hause wohnte. Und wo war nun die Post? Wir erhielten eine exakte Beschreibung, aber auch den Hinweis, dass es dieses Gebäude nicht mehr gäbe und ein Pole dort sein Haus errichtet hätte. Die Post in Bodenwinkel hat bis Kriegsende gearbeitet, fügte Frau Malinowska noch hinzu. - Wir fanden dann auch die Stelle, an der einmal das Haus stand, in der die deutsche Postagentur (mit einfachem Betrieb) untergebracht war.
Bei Frischkemuts war die Nichte aus Deutschland zu Besuch. Wir saßen alle auf dem Hof bei Kaffee und Kuchen und herrlichem Sonnenschein, führten angenehme Gespräche und fühlten uns sehr wohl. Zum Abschied bekamen wir dann etwas geschenkt, was nie zu erwarten war: eine große Landkarte von Bodenwinkel, in der jeder der 1128 Bewohner (1945) der einzelnen Häuser aufgeführt ist. Selbst die Stellungslinien der deutschen und der sowjetischen Armee am 8. Mai 1945 findet man. Und natürlich ist auch die Post eingezeichnet: Landweg 56 (und nicht bei Arthur Foth, wie bisher gedacht). Auch das ist Sammlerglück!
Arge Danzig, Rundschreiben 221, Seite 1836.
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Added: 17/10/2008
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