Der alte Leuchtturm von Neufahrwasser
[vorgelegt von Günter Deinert, Tel.0331-331843]
Nach Schaffung der neuen Hafeneinfahrt bei Neufahrwasser wurde es nötig, das Leuchtfeuer von der alten (Weichselmünde) zur neuen Mündung zu verlegen. 1757/58 wurde in Neufahrwasser ein dicker runder, 20 m (67 Fuß) hoher, Turm ohne Spitze gebaut. Er wurde Alte Bliese genannt.
Daniel Chodowiecki: Alte Bliese 1773
Daniel Chodowiecki „Reise nach Danzig“:
„Weiterhin erblickte ich den Leuchtturm, der von beträchtlicher Höhe, verhältnismäßig breit und oben platt ist. Er ist aus Ziegelsteinen erbaut und mit Kalk übertüncht. Obenauf befindet sich der eiserne Kran. Dieser Turm ist ganz von Bäumen und einem Palisadenzaun umgeben, er steht auf einer kleinen Anhöhe, was ihm ein sehr angenehmes Aussehen gibt.“
Auf seiner Plattform montierte man eine Kohlenwippe, die ab dem 24. September 1758 allnächtlich brannte und wegen ihrer Höhe enorm weit zu sehen war. (Die Bliese befand sich nur wenige Meter auf einem Grundstückrechts neben der Bliesenstraße in Neufahrwasser). Diese Steinkohlenwippe war ein schrankenähnlicher Balken mit einem Eisenkorb am oberen Ende, in dem die Kohlen brannten. Mittels einer Winde konnte der Balken auf und ab bewegt werden. Solche Kohlenfeuer, auch Blusen genannt, waren weit zu sehen. Aber die Einfahrt zu Neufahrwasser litt unter Versandung. Darum wurde 1775 ein zweites - niedrigeres - Steinkohlenfeuer vor das vorhandene gesetzt. Beide Feuer in Linie bildeten eine Richtfeueranlage und ermöglichten den Schiffen auch nachts das exakte Einsegeln in die Hafeneinfahrt. Diese Richtfeueranlage war die erste in Deutschland. Heute sind Richtfeueranlagen mit zwei verschieden hohen modernen Feuern (Ober- und Unterfeuer), in der ganzen Welt üblich zur Bezeichnung von Hafeneinfahrten und Fahrwasserstrecken.
Natürlich verbrauchten die beiden feuerspeienden Ungetüme ein Menge Kohlen, insbesondere, wenn der Wind sie noch anfachte. Das ging pro Jahr in die Hunderte von Tonnen, war also eine kostspielige Angelegenheit. In der schweren Zeit nach den napoleonischen Kriegen wurde das Ganze zu teuer, und so ersetzte man 1817 beide Kohlenfeuer durch Wachskerzen. Jedes Feuer erhielt drei Wachskerzen von 2 Zoll Durchmesser mit sehr starken Dochten, die in Laternen brannten. Diese geringe Kerzenzahl genügte aber nicht für den zu erleuchtenden Winkel.
Inzwischen war das Steinkohlen- oder Leuchtgas erfunden, das in London schon zahlreiche Straßen mittels Gaslaternen erleuchtete. Deshalb beschloss der Danziger Rat, auch Leuchtgas als Lichtquelle für seine beiden Leuchtfeuer zu benutzen, zumal die Lichtwirkung durch Parabolspiegel noch erheblich gesteigert und auf die gewünschte Richtung konzentriert werden konnte. Da Danzig noch keine Gasanstalt besaß, beschloss der Rat kurzerhand, extra für die beiden Leuchtfeuer eine solche zu errichten. Sie wurde 1819 angefahren. Jedes Feuer erhielt drei Flammen, die sich je in einem metallenem Parabolspiegel befanden.
Gas als Lichtquelle für Leuchtfeuer, das gab es zuvor in Deutschland noch nicht. Somit war Danzig auf diesem Gebiet Vorreiter. Noch heute wird Gas, allerdings in anderer Art und in Verbindung mit besonderen Glühstrümpfen, im Leuchtfeuerwesen verwendet.
Nach über 40 Jahren Gasbetrieb wurde 1860 auf das sparsamere Öl sowie 1870 auf Petroleum umgestellt, und 1883 erhielt der Leuchtturm einen Fresnel-Linsenapparat. Danzig bewies Mut zur Neuerung! Während alle Welt erst begann, Gasbeleuchtungen nach dem Glühstrumpfsystem einzuführen, plante man hier schon die Einführung von Elektrizität.
Arge Danzig, Rundschreiben 244, Seite 2625.
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Added: 09/08/2015
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