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Aus alten Unterlagen
Martin Jenrich, Tel. 030-9914166, martin.jenrich@web.de

Der polnische Postputsch
Quelle: Buch „Die Freie Stadt Danzig“ 1919-1939 von Rüdiger Ruhnau
Einer der neuralgischsten Punkte Danzigs, der immer wieder zu Streitigkeiten Anlaß bot, war die polnische
Post. Der Pariser Vertrag hatte Polen das Recht zugestanden, im Hafen von Danzig zur unmittelbaren
Verbindung mit Polen einen Post-, Telegrafen- und Telefondienst einzurichten. Im Warschauer Abkommen
vom 24.10.1921 bestimmten dann die Artikel 149 bis 168, welchen Umfang der den Polen zugestandene
Postdienst haben durfte.
Als erstes richtete Polen eine Paketsichtungsstelle für Pakete und geschlossene Postbeutel in Weichselmünde ein. Dieser Postdienst erledigte sowohl den direkten Postverkehr vom Danziger Hafen nach
Polen, als auch den Dienst von und nach Übersee. Am 1.11.1922 verlegte man die Paketsichtungs-stelle
nach dem Holm mit der Bezeichnung „Gdańsk Nr. 1“. Ein Antrag auf Errichtung einer Briefsichtungsstelle im Hauptbahnhof wurde zunächst von Hochkommissar Haking abgelehnt, dann aber am
18.04.1923 vom Danziger Senat genehmigt. Diese Dienststelle erhält die Bezeichnung „Gdańsk Nr. 2“.
Am 29.04.1923 genehmigte der Hafenausschuß die Verlegung der Paketsichtungsstelle von der Holminsel
zum Hafenkanal.
Bereits 1921 übergab die Interalliierte Verteilungskommission für das frühere deutsche Reichsver-mögen
den Polen das ehemalige Garnisonlazarett am Heveliusplatz . In diesem Gebäude richteten die Polen am 23.
Oktober 1924 das Postamt „Gdańsk Nr. 3“ ein, das fortan unter dem Namen „Polnische Post“ bekannt
wurde. Ab 05. Januar 1925 verkaufte die polnische Postverwaltung Briefmarken mit dem Aufdruck „PORT
GDAŃSK“ (Danziger Hafen).
Die polnische Regierung vertrat nun die Auffassung, der Wirkungsbereich ihres Postdienstes erstrecke sich
über den gesamten Danziger Stadtbezirk und nicht nur auf den Hafenbereich. Dagegen erhob der Senat
Einspruch. Er ersuchte den Hohen Kommissar um eine Stellungnahme, der dann in einem Schreiben vom
06. Januar 1922 dem polnischen Diplomatischen Vertreter mitteilte, daß Polen kein Recht habe, seinen
Postdienst über die ihm zugeteilten Grundstücke hinaus auszuüben.
Dem Danziger Senat blieben die polnischen Expansionsbestrebungen nicht verborgen. Er richtete daher
eine Anfrage an die polnische Regierung, ob es zutreffe, daß eine Erweiterung des Postdienstes beabsichtigt
sei. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, daß eine Ausweitung des Postdienstes mit der bestehenden
Regelung nicht vereinbar wäre.
Darum war die Überraschung perfekt, als an einem schönen Wintermorgen – es war der 5. Januar 1925 – an
zehn verschiedenen Stellen in der Stadt rote polnische Briefkästen angebracht waren und polnische
Postbeamte in Danzig ihre Briefzustellungen vornahmen. Die Bevölkerung war äußerst empört. Sie fühlte
sich durch den Postputsch überrumpelt und griff zu Selbsthilfemaßnahmen: An einigen roten Briefkästen
wurde das obere Drittel mit schwarzer und die Mitte mit weißer Ölfarbe bemalt, so daß schwarz-weiß-rote
Kästen entstanden, wie man sie vorher noch niemals in Deutschland sah. In andere Postkästen warfen
aufgebrachte Danziger Fäkalien und andere üble Dinge hinein. Dem Danziger Senat blieb nichts anderes
übrig, als Polizeiposten vor den Briefkästen aufzustellen, damit eine „Beleidigung der polnischen
Hoheitszeichen“ in Zukunft unterblieb.
In einem Aufruf an die Bevölkerung Danzigs erläuterte der Senat seine Gründe:

An die Bevölkerung der Stadt Danzig!
Im Widerspruch zu bestehenden Verträgen und einer rechtskräftigen Entscheidung des Hohen Kommissars
des Völkerbundes ist ein polnischer Postdienst, der sich mit Bestelldienst durch Briefträger und
Annahmedienst durch Briefkästen auf den größten Teil des Stadtgebietes erstreckt, eingerichtet. Hierdurch
sind die Staatshoheitsrechte der Freien Stadt verletzt. Die Bevölkerung kann überzeugt sein, daß die
Regierung alle die Schritte unternommen hat, die auf dem vertragsmäßig vorgesehenen Wege möglich sind,
um durch Entscheidung des Hohen Kommissars des Völkerbundes die Regierung der Republik Polen zu
veranlassen, die vertragswidrigen Maßnahmen aufzuheben. Die Regierung, welche die Rechte des Staates
unter Wahrung der geschlossenen Verträge verteidigt, richtet den dringenden Appell an die
Einwohnerschaft, den Rechtsfrieden zu wahren und keinerlei Gewaltakte vorzunehmen.

Rundschreiben 280, Seite 4020


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Added: 19/05/2024
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