Aus alten Zeitungen und Zeitschriften ...
(eingesandt von Günter Deinert)
Beilage der „Danziger Neueste Nachrichten“ Nr. 188
vom 13./14.August 1938
Die „fliegende Post“ zwischen Strandkörben - Marken „ins Haus“ gebracht
„Danzigs Post auf dem Posten“ schrieb eine deutsche Zeitung unter ein Bild des fliegenden Markenverkäufers vom Zoppoter Strand. Niemand weiß heute, wer ihn erstmalig den „Fliegenden“ genannt hat. Vor drei Jahren wurde durch Anregung der provisorischen Postämter auf dem Reichsparteitag erstmalig ein Postbeamter mit dem blauen Marken- und Kartenkasten, der um die Schulter gehängt zu tragen ist, in Zoppot auf Strandtour geschickt. In kurzer Zeit war der blaue Beamte eine unentbehrliche Erscheinung zwischen Strandkörben und Ruhebänken.
Ist es wirklich nur der Bedarf an Marken und Karten, der die Strandkorbinsassen am Vormittag, wenn der Beamte gewöhnlich aufzutauchen pflegt, schon ungeduldig werden läßt? Immer häufiger wird nach der blauen Uniform Ausschau gehalten, mehr wohl aber noch nach dem stets freundlichen Gesicht ihres Trägers, der für Alt und Jung neben den Wertzeichen stets auch ein vergnügtes Lächeln und ein nettes Wort vorrätig hat. Durch ihn und wohl auch mitunter ihm zuliebe wird manche Karte geschrieben, die eigentlich gar nicht geplant war.
Seitdem die Briefmarken und Postkarten den Sommergästen sozusagen „ins Haus“ gebracht werden, ist die Schreiblust in der Tat gestiegen. Man sage nicht, die Karten würden auch ohne diese Einrichtung geschrieben. Ein Teil gewiß ... Aber viele nicht, weil bekanntlich die Bequemlichkeit das oberste Gesetz des Strand- und Ferienlebens ist. Ein Gang zur Poststelle – und sei sie auch in nächster Nähe am Strand – ist bereits eine gern vermiedene Unbequemlichkeit. Wenn aber der Beamte mit seinem blauen Kasten auftaucht, denkt der größte Faulpelz unter der Sonne: „Bin braungebrannt am ganzen Leibe, ich jetzt an Tante Minna schreibe.“
Karten und Markenverkauf ist jedoch nicht die einzige Aufgabe des Strandbeamten. Er ist zugleich ein wandelndes Auskunftsbüro in allen postalischen Fragen. Reichsdeutsche Gäste müssen sorgfältig aufgeklärt werden, was ein Brief kostet, auf daß nicht „weiße Möwen“ ohne genügende Frankierung den Strandkorb verlassen. So gibt es mancherlei Postwichtigkeiten, die man wissen will und muß. Voraussetzung: daß auch der Beamte auf dem Posten ist.
Wenn das mittägliche Kurgartenkonzert beginnt, verlegt der Beamte sein Geschäft in den Kurgarten. Am Nachmittag hält er sich wieder dort auf, geht häufig die Kurhausterrasse und die Seestegplatte entlang, kurzum, zeigt sich überall dort, wo Menschen sitzend süßes Nichtstun genießen.
Aber mitunter dauert es eine ziemliche Weile, bis sich der Mann durch Tisch- und Stuhlreihen durchgekauft hat, immer wieder angehalten mit ernsthafter und neckischer Titulierung: „Herr Postbeamter“, „Herr Fliegender“, „Herr Postdirektor“. Oder gar als weitere Steigerung des lachend quittierten Scherzes: „Herr Schaffner, mir auch ein Flugbillett.“
Mit dem sinkenden Tag endet im allgemeinen die Tätigkeit des wandernden Postverkäufers. Doch an ereignisreichen Abenden, wie dem Großen Donnerstag oder der Feuerwerksnacht, kommt er selten vor 10 Uhr abends aus dem Kurgarten weg, beladen mit vielen versandbereiten Karten, die man ihm der Einfachheit halber gleich zur Beförderung anvertraut hat.
Arge Danzig, Rundschreiben 213, 2006, Seite 1568.
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Added: 08/02/2008
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