>> diesmal aus der „Briefmarken-Rundschau“, 4. Jahrgang Nr. 35 vom 10. Oktober 1923 Einzelpreis 0,25 Goldmark
[Vorgelegt von Martin Jenrich]
Mit lieg. Wz., Papier ohne Rosettenaufdruck, erschienen im Kleinformat des Löwenmusters der 300 M., aber einfarbig, die Markenwerte zu 1000, 5000, 20 000, 50 000 Mark. In gleicher Ausführung, jedoch mit grauem Rosettenaufdruck, die Werte zu 100 000 M., 250 000 M. und 500 000 M.. Dann riss der Faden plötzlich wieder ab und eine neue Provisorienflut brach über uns herein.
Zunächst diente die kaum verausgabte dunkelgrüne 50 000 M. im Kleinformat als Untergrund für eine 500 Tausend M.- Marke. Die Ausführung ist den vorhergehenden Provisorien ähnlich. Alte Wertbezeichnung durch eine schmale Linie verdeckt, darunter die Zahl 500 und zum Schluss das Wort „Tausend“. Nun kam eine 10 Tausend M.-Marke an die Reihe, die in Kleinformat wohl hergestellt, infolge der Geldentwertung aber nicht mehr benötigt und verausgabt wurde. Eine Fälschung der Provisorien zum Schaden der Post war durch diese Massnahme nunmehr ausgeschlossen und konnte die O.P.D. ihren Geschäften bis in die höchsten Regionen freien Lauf lassen. Als erstes Erzeugnis erschien dann eine 10 000 M. orange mit Aufdruck „1 Million“, die sofort durch grosse Händleraufkäufe anlässlich des Berliner Händlertages vom Schalter verschwand. Man weiss sich hier jedoch zu helfen. Schleunigst wurde die gleiche Marke, diesmal aber in „schamroter“ Farbe, hergestellt, die noch heute das Feld beherrscht. In gleicher Ausführung erschienen dann auch kurz darauf die 2 Millionen, 3 Millionen und 5 Millionen-Marken, weil inzwischen das einfache Briefporto auf 5 000 000 Mark geklettert war.
Für Drucksachenfrankatur schuf man noch eine 400 Tausend Mark-Marke auf dem olivgrünen 100 000 M. Wert. Alter Wert ist hier wieder durch ein Zierstück verdeckt, übrige Anordnung des Satzes wie bisher.
Zur Abwechselung erschien am 1.10 ein 10 Millionen-Provisorium, hergestellt auf einer vorbereiteten, aber nicht herausgegebenen Grossformatmarke zu 1 Milllion Mark orange. Leider reichte der Vorrat dieser nicht schlecht aussehenden Marke auch nur 5 Tage, doch soll, wie man hört, eine neue Auflage dem „Mangel“ abhelfen.
Einen Aufstand schlimmster Sorte erlebten wir am 2.10 bei der Ausgabe der Nachportoprovisorien zu 5000, 10 000, 50 000 und 100 000 Mark., die sich jeder Engros- und Detailschieber gern mappenweise hingelegt hätte, wenn sie nicht wieder zu 5-10 Satz rationiert worden wären. Trotz dieser Massnahme ging der gelieferte Posten auch infolge der „Hintenherumkäufe“ schnell zu Ende und konnte man am 3. nur noch 3 Werte „erstehen“. Vom 100 000 M.-Wert war von der O.P.D. nur ein Zehntel der übrigen geliefert worden. Einige Herren, denen der Rummel zu viel wurde, wandten sich beschwerdeführend an die O.P.D. und erhielten die Zusicherung, dass alle Maschinen der Druckerei in Betrieb seien und mit einer baldigen Nachlieferung der (amtlich bisher nicht verwendeten) Marken zu rechnen sei. Eine Aeusserung einer der Herren muss Verwunderung erregen, sagte er doch wirklich: „Die Marken sind vor allem für amtliche Zwecke , d. h. also zur Frankierung der mit Nachporto belegten Sendungen bestimmt, erst dann könne man an den Verkauf an Sammler und Händler denken.“ Bis heute ist mir noch nicht eine mit diesen Marken belegte Sendung zu Gesicht gekommen. Vielmehr werden nach wie vor gewöhnliche Freimarken verwendet. Wie verhält sich der Sammler zu diesen amtlich nie verwendeten Marken? Nun, er betrachtet sie mit Fug und Recht als eine Spekulationsmarke, und keine Erklärung der O.P.D. wird daran etwas aendern, es sei denn, sie brauche die Marken auch wirklich postalisch.
Erich Hentschel.
(Das Kursivsetzen des letzten Absatzes sowie die Unterstreichung erfolgten von der Redaktion.)
Arge Danzig, Rundschreiben 215, Seite 1633.
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Added: 14/03/2008
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