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Die Umsiedlung der Baltendeutschen
Dr. Bernd Marczinke, Tel. 06232-26204, bernd.marczinke@t-online.de
Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 enthielt ein geheimes Zusatzprotokoll, das die
zwischen den beiden Mächten liegenden Gebiete in Interessensphären aufteilte. Estland und
Lettland wurden dabei der Sowjetunion überlassen. Über dieses Zusatzprotokoll wurde der
Landesleiter der Bewegung in Lettland, Erhard Kroeger, am 25. September 1939 vom
Reichsführer SS Heinrich Himmler eingeweiht. In dieser Unterredung will Kroeger den AnstoB
gegeben haben, nicht nur einen kleinen Kreis von Personen, die durch eine môgliche
sowjetische Besetzung besonders gefährdet sein kônnten, zu evakuieren, sondem die gesamte
deutsche Volksgruppe.
Hitler, an den das Ansinnen weitergeleitet wurde, erklärte sich mit der Umsiedlung einverstanden, sofern sie einvernehmlich mit der UdSSR erfolgen würde. In einem Zusatzprotokoll
zum Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September wurde
zwischen den beiden Ländern schlieRlich Einvernehmen über die Übersiedlung von Reichsangehôrigen und Deutschstämmigen von den sowjetischen in die deutschen Interessengebiete
oder nach Deutschland hergestellt.
Als Ansiedlungsgebiete entschied man sich für die neu annektierten polnischen Gebiete zum
Zwecke ihrer Germanisierung. Die Umsiedlung hatte somit nicht mehr allein den Charakter einer
Rettungsaktion für gefährdete Deutschstämmige, sondern wurde zu einem Instrument der
nationalsozialistischen Rassen- und Volkstumspolitik. Daneben waren die neuen Siedler auch
als Arbeitskräfte und Soldaten willkommen.
Der breiten Offentlichkeit wurden die Umsiedlungspläne durch eine Reichstagsrede Adolf Hitlers
am 6. Oktober 1939 bekannt, in der er die Zerschlagung des polnischen Staates und die neue
Ordnung der ethnographischen Verhältnisse als Ziele nannte.
Bereits am nächsten Tag wurde Heinrich Himmler durch Führererlass mit der Festigung
deutschen Volkstums beauftragt, der seinerseits am 8. Oktober 1939 Reinhard Heydrich
anwies, eine Dienststelle zu schaffen, mit der die Erfassung und Einbürgerung der
umzusiedelnden Deutschen durchzuführen sei. Diese Einwanderer-Zentralstelle nahm
umgehend ihre Arbeit auf. Bereits am 18. Oktober lief das erste Umsiedlerschiff aus dem Hafen
von Tallinn aus. Am 15. bzw. 30. Oktober 1939 wurden Umsiedlungsverträge zwischen dem
Deutschen Reich und den Republiken Estland bzw. Lettland abgeschlossen.
Im Vertrag über die Umsiedlung lettischer Bürger deutscher Zugehôrigkeit in das Deutsche
Reich vom 30. Oktober 1939 zwischen der Reichsregierung und der lettischen Regierung war
im Artikel 1 vereinbart:
»Die Lettische Regierung verpflichtet sich, diejenigen lettischen Staatsangehôrigen
deutscher Volkszugehärigkeit aus der lettischen Staatsangehôrigkeit zu entlassen,
welche bis zum 15. Dezember 1939 freiwillig ihren Entschluf bekunden, für alle Zeiten
aus der lettischen Staatsangehôrigkeit auszuscheiden und ihren ständigen Wohnsitz in
Lettland zu verlassen.“
Ein ähnlich lautendes Protokoll war bereits am 15. Oktober 1939 vom estnischen Freistaat und
der Reichsregierung unterschrieben worden.
Für die Abwicklung der Vermôgen wurden in Lettland die Umsiedlungs-Treuhand-Aktiengesellschaft (UTAG) und in Estland die Deutsche Treuhand-Verwaltung als Treuhandstellen des
Reiches gegründet. Der Erlôs aus diesem Vermôgen sollte dem Deutschen Reich zugute -
kommen. Die Entschädigung für die Umsiedler erfolgte, wie sich zeigen sollte, aus enteignetem
polnischem und jüdischem Vermôgen.

Rundschreiben 272, Seite 3685


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Added: 10/08/2023
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