>> "Der Tiger von Eschnapur"
[Günter Deinert, Tel. 0531-331843]
Als ich ihm erklärte, was ich für meinen Chef besorgen sollte, sagte er nur: "Gib mir ’mal den Zettel und das Geld, ich kann Dir bestimmt helfen, denn ich kenne viele Geschäftsleute. Um ½ 2 Uhr treffen wir uns am Holzmarkt, eher kann ich nicht."
Es war jetzt 9 Uhr, und somit hatte ich viel Zeit und konnte auch auf Siegfrieds Plan eingehen. Er machte Besorgungen beim Postscheckamt, und ich ging für ihn zur Hauptpost in der Langgasse und zur Dresdner Bank. Kurz nach 10 Uhr trafen wir uns dann auf dem Langen Markt. "Weißt Du", sagte er, "bis zum Beginn der Vorstellung im Tageskino auf dem Langen Markt haben wir noch etwas Zeit." Also gingen wir erst einmal zum Eispalast "Toscani." Anschließend sahen wir uns dann den Film "Der Tiger von Eschnapur" an. Als wir gegen Mittag aus dem Kino kamen, hatten wir Hunger. Gegenüber im Ratskeller sollte es noch gutes Essen geben. Also nichts wie ’rein. Wir wurden auch nicht enttäuscht. Nach dem Essen holten wir uns noch jeder ein kleines Tüteneis und machten uns auf den Rückweg.
Auf dem Kohlenmarkt trennten sich unsere Wege. Er ging ins Büro zum Dominikswall und ich zum Holzmarkt, denn es war inzwischen kurz vor ½ 2 Uhr, und ich wollte meinen Großvater nicht warten lassen. "Ob der Opa wohl einiges Material bekommen hatte?" fragte ich mich. Von weitem sah ich ihn schon mit einem Paket unterm Arm. Ach, war ich froh, denn ich hatte ein schlechtes Gewissen. Aber das Paket war nun ein gutes Alibi für mein langes Ausbleiben.
Gebrauchen konnte ich es, denn schon im Flur unseres Bürohauses hörte ich die schimpfende Stimme meines Chefs. Wenige Augenblicke, nachdem ich zurück war, kam auch schon Siegfried ins Zimmer. "Was meinst Du, was ich alles zu hören bekommen habe", sagte er. "Wo ich mich denn so lange rumgetrieben hätte, für die Wege zur Post und zur Bank brauche man doch nicht den ganzen Vormittag. Dann sagte er noch, daß er meinen Eltern einen Brief schreiben wolle."
Siegfried hatte noch nicht das letzte Wort ausgesprochen, da klingelte auch schon das Telefon. Es meldete sich unser Chef. "Ach, Günter, Sie sind schon da, dann kommen Sie doch bitte ’mal zu mir." Ich nahm mein Paket mit dem Büromaterial und ging zum Chefzimmer. Was wird mich erwarten? Ich weiß nicht, ob ich sein "Herein" abgewartet habe, jedenfalls stand ich mit einem Mal vor dem Chef. "Na, haben Sie denn Glück gehabt?" waren seine ersten Worte. "Ja, Herr Meller, ich habe alles besorgt." "Wenigstens auf einen ist Verlaß; haben Sie denn schon Mittag gemacht?" "Nein, Herr Meller". "Hier haben Sie 5 Mark, gehen Sie zum Mittagessen, oder noch besser, machen Sie gleich Feierabend. Schönen Dank, Günter!" Als ich das Haus verließ, nahm ich noch Siegfrieds Worte mit auf den Heimweg, die so klangen wie "Mensch, Günter, hast du ein Glück!"
Aus dem Mitgliederkreis
Der Mensch geht, doch die Gedanken an ihn bleiben.
Am 19. Juli 2015 starb
Wolfgang Tscharntke, geb. 1918
Mitglied der ARGE seit 1983
Wir werden seiner in Ehren gedenken.
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Arge Danzig, Rundschreiben 249, 4. Quartal 2015, Seite 2814.
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Added: 03/01/2016
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