Warum hatte Danzig eine Guldenwährung?
Quelle: Rüdiger Ruhnau „Die Freie Stadt Danzig“ 1920-1939
Die letzten Monate des Jahres 1923 standen ganz im Zeichen der Inflation. Die deutsche Mark kam immer mehr ins Rutschen. Doch einen Vorteil gegenüber den Reichsdeutschen hatten die Danziger: Sie konnten ihre wertlosen Papiermillionen in US-Dollars oder andere ausländische Währungen umtauschen. Das war aber ein Wettlauf mit der Zeit, da die deutsche Mark mit jedem Tag an Wert verlor. Gut waren diejenigen dran, die Beziehungen zu den Geldwechselinstituten hatten, da es gar nicht möglich war, allen Anforderungen nach Geldumtausch nachzukommen. Die Geldentwertung nahm groteske Formen an: 1 Billion Reichsmark war nur noch 1 Dollar wert! Die Reichsbank schaffte es nicht mehr, die Papierbillionen nach Danzig zu schaffen, so daß die Stadt dazu überging, eigenes Notgeld zu drucken. Ab 11. Juli 1923 wurden sogenannte „Industrieschecks“ ausgegeben, die durch US-Dollars gedeckt waren.
Am 21. September 1923 vereinbarte Senatspräsident Sahm in Genf mit dem Diplomatischen Vertreter Polens in Danzig, Herrn Plucinski, das Danzig-polnische Währungsabkommen, das am 11. Dezember 1923 in Kraft trat. Kern dieses „Genfer Übereinkommens“ war die Einführung einer eigenen Danziger Währung, nämlich des Gulden . Seit der Gründung des Freistaates war man von Danziger Seite bemüht, auf vielen Gebieten eine Angleichung an die Verhältnisse im Deutschen Reich herzustellen. Dazu gehörte auch die einheitliche Markwährung. Deren völliger Stabilitätsverfall, aber auch der wirtschaftliche Druck Polens, forderten nun gebieterisch eine Änderung. Da Danzig zum polnischen Zoll-Inland gehörte, drängte die polnische Regierung auf Einführung der Zloty-Währung. In Danzig wollte das aber keiner. Erst nach schwierigen Verhandlungen gaben sowohl das Finanzkomitee des Völkerbundes als auch Polen die Zustimmung zu einer eigenen Danziger Gulden-Währung.
Der Gulden wurde auf 1/25 des englischen Pfundes festgesetzt (25 Gulden = 1 engl. Pfund). Die Bank von England garantierte die Sicherheit des Danziger Guldens. Bereits am 26. Oktober 1923 erhielten die Danziger zum ersten Mal Lohn oder Gehalt in Gulden ausgezahlt. Die nun erforderlichen Briefmarken in neuer Währung waren ab 31. Oktober (5 bis 75 Pf.) und ab 5. November (1 bis 5 G) als Überdrucke an den Postschaltern erhältlich und bis 28. Februar 1927 gültig. Allerdings war das neue Geld noch gar nicht vorrätig. Man behalf sich deshalb für kurze Zeit mit den „Zwischengulden“. Das waren auf Gulden lautende Kassenscheine, aus einfachem weißen Papier hergestellt. Die deutsche Währung wurde mit Wirkung vom 18. Dezember 1923 abgeschafft, und der Gulden war nun alleiniges Zahlungsmittel.
Als Währungsbank wurde am 5. Februar 1924 die „Bank von Danzig“ gegründet, ein Privatinstitut, das das Recht hatte, Guldennoten im Höchstwert von 100 G pro Kopf der im Freistaat dauernd ansässigen Bevölkerung herauszugeben (ca. 40 Mio. G). Das Gründungskonsortium der Bank setzte sich aus Danziger und polnischen Finanzgruppen zusammen. Lt. Satzung betrug das Aktienkapital 7,5 Mio. G und war in 75.000 Aktien zu je 100 G gestückelt. Die Aktien lauteten auf den Namen des Zeichners und wurden in das Aktienbuch der Bank eingetragen. Da der Aktienanteil Polens von vornherein auf 28 % Stimmberechtigung beschränkt blieb (auch, wenn es später ca. 48 % besaß), blieb die Währung in Danziger Hand. Der Senat verband die Aktienausgabe mit einem Aufruf an die Bevölkerung bzw. Wirtschaft, von einer Zeichnung des zu 70 % zur Verfügung stehenden Aktienkapitals Gebrauch zu machen. Dieser Aufruf hatte vollen Erfolg. Erst im Laufe der Jahre wechselte dann ein Teil der Aktien in polnische Hände.
Im Gebäude der alten Reichsbankhauptstelle, Am Karrenwall 10, eröffnete nun die „Bank von Danzig“ ihre Schalter und brachte die neuen Banknoten in Verkehr (nachdem immer mehr „Zwischengulden“ gefälscht wurden). Die Scheine waren in einem komplizierten Stahlstich in England gedruckt worden und boten den Fälschern unüberwindliche Hindernisse. Die auch äußerlich stilvollen Geldscheine zeigten Alt-Danziger Wahrzeichen und blieben bis 1939 eine geschätzte Visitenkarte des Freistaates. Die Stückelung erfolgte in 10, 20, 25, 100, 500 und 1000 Gulden, und die Banknoten waren in englische Pfund einlösbar (Ab 21. September 1931 konnten die „Papiergulden“ auch in „Goldgulden“ umgetauscht werden : 1G = 0,2929 g Feingold. Danzigs Währung gehörte damit zu den sichersten der Welt!). An Münzen, in Holland geprägt, wurden herausgegeben: 1 und 2 Pf. in Kupfer; 5 und 10 Pf. in Nickel; ½, 1, 2 und 5 G (ab 1935 auch 10 G) in Silber und 25 G in Gold. Das Goldstück entsprach einem englischen Pfund. Es kam nicht in Umlauf, sondern wurde vom Senat als Erinnerungsstück verschenkt.
Die Republik Polen führte am 1. April 1924 ebenfalls eine neue Währung ein, nämlich den „Zloty“ (auf deutsch: Gulden). Er basierte auf dem Schweizer Franken und war paritätisch dem Danziger Gulden gleich.
Martin Jenrich
Arge Danzig, Rundschreiben 210, Seite 1481.
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Added: 08/02/2008
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