>> Irrtümer auf Briefmarken
Menschengeist und Menschenhände lassen die Briefmarke entstehen, und so ist in der Tat auch sie dem Irrtum ausgesetzt. Der Sammler mit weitem Blick und — notabene — wohlgefülltem Album weiss als Beispiel dafür manchen interessanten Fall anzuführen. Dabei denken wir heute weniger an die Leistungen des Druckfehlerteufels, der natürlich ebenfalls auf vielen Postwertzeichen sein Unwesen getrieben und manche drollige Missetat begangen hat. Hierher gehört auch das ziemlich häufige Malheur des sogenannten „kopfstehenden Mittelstücks" bei zweifarbigen Briefmarken. Es ist hervorgerufen durch ein — mitunter nicht ganz unbewusstes! — Versehen bei der Einrichtung der Klischees und Druckplatten. Vielmehr sei diesmal danach Umschau gehalten, was für Irrtümer dem Markenzeichner, der Hand des graphischen Künstlers, unterlaufen sind und auf amtlichen Postwertzeichen unbehelligt durchs Schalterfenster den Weg in die Welt gefunden haben.
Wohl die berühmteste aller philatelistischen Irrungen ist die erste Markenausgabe von Mauritius (1847), bei der dem Schöpfer das Missgeschick passierte, der englischen Königin Viktoria die Worte Post office (d. h. Postamt) gerade vor die Nase zu gravieren, anstatt Post paid (Porto bezahlt), wie es richtig gewesen wäre und wie es auch in der folgenden Markenausgabe verbessert wurde. Im übrigen ein recht rentabler Irrtum, der heute in jedem noch vorhandenen Fall ein nettes fünfstelliges Kapital darstellt! Mit 60-70 000 Mark wird in unseren Tagen jedes Stück dieser ersten Mauritius-Ausgabe bewertet. Noch älter und damit überhaupt das älteste zeichnerische Versehen auf Postwertzeichen ist der Fall des englischen Malers Mulready. Auf den nach ihm benannten ersten frankierten Briefumschlägen von 1840 liess er einen postalischen Boten in Engelsgestalt roh und lieblos nur mit einem Bein in die Welt hinausfliegen.
Wie hier die Anatomie, so war die Geographie offenbar die schwache Seite bei anderen Zeichnern, die sich beim Ziehen von Landesgrenzen auf Briefmarken erheblich irrten. Mehrere solcher Fälle sind dem Sammler bekannt, falls seine eigenen Horizontgrenzen nicht allzu eng gezogen sind. Die zweitgrösste der westindischen. Inseln wird, wie man selbstverständlich von der Schulbank her noch weiss, von Haiti und der. Dominikanischen Republik gebildet. Dieses letztere Staatswesen verausgabte im Jahre 1900 Postmarken mit einer Landkarte der Insel, wobei jedoch die Grenzlinie zum Schaden des Nachbarn Haiti ungenau ge-. zeichnet war. Dieses politische Schwerverbrechen hätte fast zu einem Kriege zwischen diesen beiden Grossmächten geführt. Es erfolgte ein geharnischter Protest Haitis, und San Domingo musste alle Eroberungsgelüste feierlichst abschwören und seinen leichtsinnigen Markenkünstler „desavouieren", wie es in der Diplomatensprache so schön heisst. Ein ähnlicher Lapsus ist in Irland vorgekommen, das ebenfalls Postwertzeichen mit einer Landkarte der Insel herausgab. Auch sie boten zu Beschwerden Anlass, da die Karte den Anschein erweckt, als gehöre die ganze Insel dem irischen Freistaat. Tatsächlich ist aber Nordirland bezw. Ulster mit der Hauptstadt Belfast auf selbständige Regierung und eigenes Parlament stolz. Erst vor zwei Jahren passierte dem Zeichner der amerikanischen Gedenkmarke zum ersten Ozeanflug Lindberghs das Versehen, Neufundland in mehrere Teile zu zerstückeln, während die Insel in Wirklichkeit ein Ganzes bildet. Ueber diese kartographische Misshandlung sollen die Neufundländer — natürlich die zweibeinigen — sehr böse gewesen sein.
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Briefmarken Ausstellung, Danzig 1929, Seite 40.
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Added: 18/02/2016
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