Der werdende Vater
Personen der Handlung:
Le = der Leser = Herr Stoye (Hochdeutsch)
Va = der werdende Vater = Herr Kniep (Danziger Dialekt)
Fr = der Hausfreund = Herr Kohn (Danziger Dialekt)
Ha = der tausmeister = Herr Foth (Danziger Dialekt)
Zu - Beginn der Handlung sind Le und Va auf der Bahne.
Le - sitzt und liest vor. Le Meine Damen und Herren, Ihnen wird jetzt eine alltägliche Geschichte vor Augen geführt werden, mitten aus den täglichen Leben gegriffen. Sie sehen hier zu meiner Ulken einen werfenden Vater, der sich so aufgeregt benimmt, wie manch ein anderer Mann in der gleichen Situation. Seine Frau liegt nebenan im Zimmer, die Nebemme ist :schon seit geraumer Weile bei ihr. Oder was sollte die Aufregung sannt für einen Grund haben? Hören Sie genau hin, wenn der Haus-freund kommt.
Va - (schlapft während des Lesens in die enterrecheene Rolle, oft mit dem Ohr an der Wand, tupft sich die Stirn, nimmt Schlucke aus dem "Flachmann".)
Fr - (tritt nach mehrmaligem Klopfen ein): Tuch, Karl, ei - was rennste denn rum wie so'n Furz im Schnuppetuch - oder haste de geloppierende Schwindsucht?
Va - Pschschsch nich so laut, Heiner, du weißt doch genau, mit meine Frau is es all so weit ...
Fr - Ach so - jaaa! Das is ja nu fällig! Aber kick dich doch ma an - wie du aassiehst! Ich hab dir ja schon damals gesacht: Nimm dir nich so ne junge, die is für dein Alter zu anstrengend!
Va - Nu sei man nich albern, Heiner. Das eine is ein brauner Schuh, das andere ein Halbschuh. Sieh' ma, nie Aufrejung und so...
Fr - Mannchen, aber deswejen brauchste doch nich wie so'n aufjescheuchtes Huhn durch die Gegend zu peesen. Dank ma, wenn alle werdenden Väter so rumkurven würden, das wär ja de reinste Velker-wanderung!
Va - Na ja, es is ja nich nur de Aufrejung allein. Dir kann ich's ja sagen. Aleo, ich war bei de Schaweitersche inne Korkenmachergase Da hab ich mir de Karten legen lassen.
Fr - (unterbricht schallend lachend) Waaas! Du als aufjeklärter Mensch gehst zu de Wahrsagerin? De olle Schaweitersche nimmt doch auch Kaffeegrund und Hundeknochen fier de Zukunft, dabei is se doch keine Astrologin nich.
Va - Nu heer doch ma. Da geht doch jeder Mensch ma hin in seine Not. Oder geht zu de Zigeuner zum Handlesen. Aber was de Schaweitersche is, die hat gesagt, wenn es ein Junge wird, denn stirbt der Vater!
Fr - (immer noch lachend) Mein Gommas! Was für'n Quatsch! Denn stirbt der Vater!!! (Leiser und nachdenklicher werdend) Denn stirbt der Vater??
Va - Ja, se sagt, trenn es ein Junge wird, denn stirbt der Vater!
Fr - Wenn es ein Junge wird -- denn -- stirbt -- Ger -- Vater -- denn stirb] der Vater ---(faßt sich an den Hemdkragen, rennt auch wie ein aufjescheuchtee Huhn durch die Gegend)
Va - Ja, praktisch hat se sich so ausjedrickt, wie wenn des einen sein erster Atemzug dem andern sein letzter is...
Fr - Weiß denn deine Frau ...
Va - I wo! aber kannste jetz verstehen ...
Ha - (nach einigem Gepolter, das niemand beachtete, eintretend) Na Tachchen, heert mir denn hier kein Mensch?
Va - Der Hausmeister! Was woll'n Se?
Ha - Unten is der Briefträjer mit'n Einschreiben oder so, und will'n Monogramm von Ihnen.
Va - Sicher sone kreetsche Priefsendung. Ausjerechnet jetz - Mannehen, ich kann jetz nich! Lassen Se sich ma dem Brief und dem Zettel geben, bringen Se beides her, ich hab nu keine Zeit nich fier anne Haustür jehn. De Hebamm' la doch da! - Denn kennense ihm sein Zettel mitm Autogramm wieder runterbringen...
Ha - (geht, während Va und Fr weiter rennen und aus dem Flachmann trinken, tritt wieder ein mit Zettel und Brief) Se soll'n hier unterschreiben.
Va - (unterschreibt) Ach kiek ma, Heiner, ne Priefsendung aus de Technoslowakei! (Rennt wieder an die Wand zum Horchen) Mein Gott, warum dauert das so lang mit das Kinderkriejen??
Ha - Ich feg ja: Lieber einmal im Leben 'n Kind kriejen als sich jeden Tuch rasieren müssen! (geht)
Va - (ruft ihm hinterher) Knallkopp!!
Le - Aber jetzt ist es endlich so weit. Man hört durch die Wand das "Kleine Kindergeschrei", den erster. Ängstlichen Schrei des Neugeberenen. Unsere "Helden" Karl und Hainer sehen sich an.
Va - (wispert) Na, was is denn nu?
Le - Die Hebamme steckt den Kopf zur Tür hinein und sagt: Grataliere dem stolzen Vater: Zwillinge!
Va+Fr - (sich immer mehr steigernd) Zwillinge - ich lebe, also zwei Mädchen - zwei niedliche Marje/1- chens - hurrjes, hurrjes - zwei Schleiserchens! (tanzen, hopsen und springen)
Le - Da brüllt die Hebamme dazwischen: Aber meine Herren: Wieso sagen Sie zwei. Mädchen?? Zwillinge . sind es - aber es sind zwei Jungens! Zwei gesunde stramme Buben sind's! Ee dauert nur noch ein paar Minuten, dann dürfen Sie rein und die Mutti beglückwünschen!
Va+Fr - (starren sich entsetzt an) Zwei Jungens? (Man hört Gepolter von draußen)
Va - Heiner, geh man kieken, ob schon die ersten zum Gratulieren kommen! (Fr ab, Va sinniert) Mein Gommas, zwei Jungen! Und de Schaweitersche hat gesagt, wenn es ein Junge wird --- ja, jenau das hat se jasagt: Wenn es ein Junge wird, denn stirbt ... jaaaa! Jenau das hat se jesagt: Wenn es ein Junge wird,... se hat aber nich jesagt, wenn es zwei Jungen werden - das is es!!!
>> >> >>
Arge Danzig, Rundschreiben 130, 10. April 1986, Seite 733.
Hits: 2940
Added: 19/03/2016
Copyright: 2024 Danzig.org