- Vor 100 Jahren: Konstituierung der Freien Stadt Danzig Die komplizierte Vorgeschichte
An einem französischen Stützpunkt im Danziger Hafen war es nicht interessiert, den aber die Polen – schon aus Gegnerschaft zu Deutschland – den Franzosen bei Vereinnahmung Danzigs gern eingeräumt hätten.
Die Gegensätze ließen sich nicht verwischen: Auf der einen Seite der Ausschuß für polnische Fragen im Einklang mit Wilson und Clemenceau, auf der anderen Lloyd George, dessen Bestreben es war, Polen den Zugang zur Ostsee ganz zu sperren. Deshalb einigte man sich auf den Kompromiß, Danzig in eine Freie Stadt umzuwandeln, deren Statusgarantie der Völkerbund übernehmen sollte.
Ende April 1919 wurden die deutschen Vertreter zur Entgegennahme der Friedensbedingungen nach Versailles gerufen. Clemenceau überreichte dem deutschen Außenminister Graf Brockdorff-Rantzau den 208 Seiten umfassenden Band der Bedingungen mit den Worten: „Sie haben uns den Krieg aufgezwungen, die Stunde der schweren Abrechnung ist gekommen.“
Dieser erwiderte: „Wir kennen die Macht des Hasses, die uns hier entgegentritt. Wir haben die Forderungen gehört, daß die Sieger uns zugleich als Überwundene zahlen lassen und als Schuldige bestrafen wollen. Es wird von uns verlangt, daß wir uns als die Allein-Schuldigen am Kriege bekennen. Ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge.“
Die Deutschen durften ihre Einwände nur schriftlich einreichen. Mit einem 400 Seiten umfassenden Gegenvorschlag erreichten sie lediglich, daß für Oberschlesien eine Volksabstimmung zugestanden wurde.
Am 23. März 1919 demonstrierten auf dem Heumarkt über 70.000 und am 25. April über 100.000 Danziger Bürger gegen eine Abtrennung vom deutschen Vaterland.
Im Deutschen Reich prallten die Meinungen für oder wider Annahme des Vertrags hart aufeinander. Hauptsächlich mit den Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Unabhängigen wurde beschlossen, die Bedingungen anzunehmen. Am 29. Juni 1919 setzten im Auftrag der Reichsregierung im Spiegelsaal von Versailles (d. i. der Saal, in dem 1871 das Deutsche Kaiserreich ausgerufen wurde) der Sozialdemokrat Müller und der Zentrumsabgeordnete Bell ihre Unterschrift unter den Friedensvertrag, der am 10. Januar 1920 in Kraft trat. Die für Danzig festgelegten Bestimmungen sind in den Artikeln 100 bis 108 enthalten.
USA-Präsident Woodrow Wilson war der Urheber des Genfer Völkerbundes. Man erhoffte sich eine Sicherung des Weltfriedens, bessere internationale Verständigung und mehr Gerechtigkeit. Grundlage des Völkerbunds war dessen Satzung, die den ersten Teil des Versailler Vertrags bildete, sowie die Friedensverträge mit Österreich, Ungarn und Bulgarien. Gründerstaaten waren die alliierten Siegermächte (ohne USA) und dreizehn besonders eingeladene neutrale Staaten. Deutschland und die Sowjetunion hatten vorerst keinen Platz im „Konzert der Völker“, in dem Frankreich eine dominierende Rolle zu spielen begann.
Organe des Völkerbunds waren die Völkerbundsversammlung, der Völkerbundsrat und das Ständige Sekretariat. Der Völkerbundsrat war das entscheidende Organ. In ihm saßen die Vertreter der Großmächte(=ständige Ratsmitglieder) neben Vertretern der Staaten, die von der Versammlung auf drei Jahre gewählt wurden.
Der Völkerbundsrat, vor dem alle Danzig-Probleme zur Sprache kamen, hatte einen ständigen Berichterstatter für Danzig-Fragen ernannt, nämlich den Japaner Vicomte Ishii. Die Entscheidungen waren für Danzig rechtsgültig; offizielle Sprachen waren Englisch und
Französisch. Für bestimmte Fragen konnte der Völkerbund Einzelpersonen ernennen, wie es bei der Einrichtung des Hohen Kommissars für Danzig der Fall war.
Im Sekretariat war eine besondere Abteilung für Danzig zuständig, die – wie andere Abteilungen auch – dem Generalsekretär unterstand, dessen Einfluß auf alle Angelegenheiten bedeutend war. In den für Danzig grundlegenden Verhandlungen bekleidete der englische Diplomat Sir Eric Drummond das Amt des Generalsekretärs. Er kannte die alte Hansestadt gut, war von deren urdeutschem Charakter überzeugt und äußerte einmal, dass die Danzig-polnischen Gegensätze im Grunde deutsch-polnischen Charakters seien.
Das Jahr 1920 war das schwierigste und entscheidendste für den zukünftigen Freistaat. Esmußte nämlich das von den Siegermächten geforderte Übereinkommen zwischen Danzig und Polen in allen Einzelheiten ausgehandelt werden, und es war zu erwarten, dass sich Polen mit allen Mitteln eine möglichst große Anzahl von Rechten in Danzig zu sichern trachtete.
Arge Danzig, Rundschreiben 270, Seite 3607
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Added: 16/05/2021
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