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Gallery » Rundschreiben 122 - 2. Quartal, 1984 » Meine Erlebnisse 1945 - 1946 in Danzig

>> Meine Erlebnisse 1945 - 1946 in Danzig

Am Abend des 25. März 1945 wurde die Evakuierung von Emaus und Schidlitz angeordnet. Die Geschwister meiner Mutter kamen mit ihren Familien von Emaus, und wir schlossen uns ihnen an. Ein endloser Treck bewegte sich in Richtung Innenstadt. Die Brücke hinter Neugarten war schwer beschädigt, und wir mußten über ein totes Pferd steigen um auf die andere Seite zu gelangen, Die Innenstadt war ein einziges Flammenmeer. Als wir durch das Langgasser-Tdr kamen ging es nicht weiter,. da die Langgasse gesperrt war. Es entstand eine Panik, da immer mehr Menschen nach-strömten. Wir nahmen uns gegenseitig an die Hand um zusammen zu-bleiben. Es ging nach rechts, und dann die Hundegasse entlang in Richtung Langgarten und Heubude. Schon in der Hundegasse. vermißten wir meinen Vater, er war vorerst verschollen.

In Heubude strömte alles in den Wald. Da der Wald überfüllt- war, suchten wir eine andere Bleibe. Neben ein paar kleinen Einfamilienhäusern mit Satteldach fanden wir drei erdeingedeckte Bunker. In einem dieser Bunker fanden wir alle Platz. Jeder dieser Bunker faßte 80 bis 100 Menschen. Einer dieser Bunker erhielt später einen Volltreffer, der andere wurde beschädigt.

Eines Abends ging meine Cusine, die ca. 28 Jahre alt war, vor den Bunker um ihren kleinen Sohn abzuhalten. Sofort wurde mit Granatwerfern geschossen. Der kleine Junge bekam einen Kratzer am Hintern, und derselbe Granatsplitter traf meine Cusine in den Unterleib. Sie wurde in den Bunker geholt, und ein Sanitäter leistete Erste Hilfe, Ihr Mann fuhr mit dem Sanka mit, der sie an die See brachte, wo sie von Hela aus in den Westen gebracht werden sollte. Wir haben nie mehr etwas von ihr gehört.

Während der letzten Tage war dauernd das Grollen der Granaten, und der Kriegslärm zu hören. Am 1. April morgens um 4 Uhr wurde draußen heftiger geschossen, danach war es unheimlich ruhig. Die Luke von unserem Bunker wurde aufgemacht und die Russen kamen herein. Der erste Russe trug eine Lederjacke und hielt eine Pistole in der Hand. Als er reinkam, sagte er laut und deutlich in gebrochenem deutsch: "Cheil Chitler". Ihm folgten einige Russen mit Maschinenpistolen. Sie taten uns nichts, denn sie hatten keine Zeit. Es war die erste Linie, die kämpfende Truppe. Sie suchten nur nach deutschen Soldaten. Einen verwundeten deutschen Soldaten, der in unserem Bunker lag, ließen sie abholen.

Ungefähr eine Viertelstunde später kam der Troß. Wir mußten alle sitzend die Hände hochhalten, und sie sammelten Uhren, Ringe und Armbänder ein. Sie fanden auch den eingebauten Wandschrank in dem meine zwei Onkel einige Kisten mit Alkohol versteckt hatten, für die Zeit danach. Die Russen freuten sich sehr darüber und nahmen auch zwei Mädchen aus unserem Bunker mit in die danebenstehenden Häuser. Die Mädchen, 16 und 22. Jahre alt, konnten einigemale entkommen. Da sie aber immer wieder zu ihrer Mutter liefen, war es für die Russen leicht sie zu finden.

Als es hell wurde, mußten wir alle den Bunker verlassen. Als wir vor dem. Bunker standen, wurde mit Granatwerfern geschossen. Alles stürmte auf einmal durch die kleine Luke, zurück in den Bunker, Dabei wurde ich von jemand in die rechte Hakke getreten, sodaß ich meinen Schuh verlor. Einige Minuten. später traten wir den Rückweg nach Schidlitz an. Ich warf den anderen Schuh auch weg und lief auf Socken. Nach kurzer Zeit. wurden wir von einem Trupp Russen angehalten, und in ein Haus geführt. Alle sollten wir je eine Uhr oder ein anderes Schmuck-stück abliefern. Ein Onkel von mir hatte tatsächlich nichts mehr zu, vergeben, deshalb wollte man ihn erschießen..Meine Mutter hatte noch eine goldene Uhr versteckt, und kaufte ihn damit frei.

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Arge Danzig, Rundschreiben 122, 4. April 1984, Seite 8.


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Added: 01/11/2015
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