>> Von der Erfindung der Paketkarte zum Danziger Korkstempel
>> 2. Wem gehören die aufgeklebten Freimarken ?
Das Schöffengericht hielt die Postbehörde zwar für berechtigt, die Begleitadresse in unverletztem Zustand zurückzufordern, sprach den Angeklagten aber wegen mangelnden Dolus (=Arglist) frei. Der Staatsanwalt legte Berufung ein, die Strafkammer bestätigte aber die schöffengerichtliche Erkenntnis".
Im Dezember 1911 kam es zu einem Gerichtsverfahren gegen einen Dr. F. X. K. aus Regensburg. K. hatte eine 50 Pfennig-Marke, die in seiner Sammlung fehlte, von einer Paketkarte abgelöst, worauf der Postbote Anzeige erstattete. Der Anwalt der Post erklärte, daß K. sich schuldig machte wegen Beschädigung amtlicher Dokumente. Er erklärte, daß die Paketkarten nötig wären als Beleg in bezug auf Zustellung, Gewicht und Nachprüfung der verklebten Porti. Daraus ergab sich 1912 in der Urteilsverkündung gegen K. eine Strafe von drei Monaten plus einem Tag wegen Urkundenfälschung und gewinnütziger Absicht. Das war eine harte Strafe! Die Zeitungen verglichen sie mit einem Verfahren wegen Mißhandlung, bei dem eine recht milde Geldstrafe beantragt wurde. Ein vorbestrafter Freiherr von W. zur W. hatte eine sechzehnjährige Dienstmagd mit einer Lederpeitsche solange geschlagen, bis sie blutüberströmt zusammenbrach. Er sollte nur 300 Mark zahlen. Die Philatelisten-Zeitschrift 'Die Post' (1912) meinte in Sache Dr. K.: "... eventuell dürfte wohl hier ein Gnadengesuch an den Prinzregenten sicher Erfolg versprechen". Nach eingelegter Beschwerde wurde die Paketkarte als amtliches Dokument anerkannt, aber die gewinnützige Absicht nicht bewiesen. Daraus ergab sich ein Freispruch. Die Tageszeitungen und Briefmarkenjournale von damals haben viel über diese Gerichtsverhandlung geschrieben. Leider stand bei dieser Rechtsprechung das Eigentum der Freimarken auf der Paketkarte nicht zur Verhandlung, sodaß hierüber noch immer Unklarheit herrschte.
In der Deutschen Postordnung von 1900, einer Beschreibung der Beziehung zwischen Post und ihren Kunden, ist in § 12 deutlich vermerkt, daß die Marken auf einer Paketkarte bei der Auflieferung einer Sendung vom Eigentum des Kunden auf das der Post übergehen. Das war eindeutig ausgedrückt, aber die Juristen hatten an der Deutlichkeit noch viel auszusetzen.
Das alles führte am Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer breiten Diskussion in der philatelistischen Literatur. Vor allem die Juristen rührten sich und erklärten, wie das Gesetz gedeutet werden müßte. Besonders der Patentbevollmächtigte A. Joseph ging auf die vielen Bestimmungen aus der Postordnung ein und widersprach den durch die Post angeführten Argumenten, daß die Karten für Kontrollzwecke aufbewahrt bleiben sollen. Aber auch das Publikum ärgerte sich über die Tatsache, daß die Post nach Verlauf einiger Zeit die Freimarken ausschnitt und als Kiloware verkaufte. Jetzt ergab sich die Frage, ob die Post dazu berechtigt war. In der Postordnung steht nichts über Ausschneiden und Verkauf der Freimarken. Die Post ging sogar so weit, auch die Freimarken von ausländischen Paketkarten zu entfernen, selbst wenn sie auf dem Teil, der für die Empfänger bestimmt war, geklebt waren. Die Post erklärte aber, daß sie das nicht absichtlich machte, sondern daß die Freimarken von den Paketkarten fielen und oft in den Postwaggons gefunden wurden.
In der Zeitung 'Danziger Neueste Nachrichten' wurde unter dem Titel "Ein Streit um Briefmarken" Folgendes gemeldet: Ein Arzt aus einem westpreußischen Dorf empfing ein Paket aus Tunesien. Er wunderte sich über die Tatsache, daß die sich auf dem Empfängerteil befundenen Marken entfernt waren. Er beschwerte sich bei der OPD Danzig, die darauf mitteilte, die Marken zurückzugeben (Tatsächlich wurden in Tunesien die Marken auf dem Empfängerteil verklebt). Nicht alle OPDen waren dieser Meinung zugetan. So wurde eine Beschwerde auf Rückgabe von Freimarken aus Tsingtau durch die OPD Hamburg zurückgewiesen unter Berufung auf die Postordnung von 1900. Auch ein Rechtsanwalt beklagte sich, weil die Post tunesische Freimarken von dem Empfängerteil abgelöst und auf der Paketkarte verklebt hatte. Seine Klage wurde abgewiesen mit der Begründung, „daß die deutsche Post nicht ohne weiteres in die Beförderungsbedingungen der ausländischen Post eintrete".
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Rundschreiben 210, Literaturbeilage 849, 5. Dezember 2005, Seite 5.
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Added: 26/05/2008
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