Da gab es dann immer ein großes Festessen, und das Hauptgericht bestand aus Aalsuppe, wozu armdicke Aale verwendet wurden. Es wurde stets unter den Obstbäumen im Freien gegessen, denn - merkwürdigerweise - im Monat Juli gab es in diesen Jahren nur schönes Wetter.
Oft nahm mich mein Großvater mit, wenn frühmorgens die dazu notwendigen Aale gefischt wurden. Es waren Reusen, die in die Weichsel gelegt wurden, besonders kunstvoll aus Weiden geflochtene Körbe, in die Aale und Neunaugen, eine besonders delikate Fischart, sich verstrickten. Morgens wurden die Reusen geleert, die mitunter eine stattliche Beute brachten, und dann wieder - mit Köder versehen - ins Wasser gelegt. Natürlich fischte mein Großvater nicht nur im Juli. Wir erhielten, als er noch jünger war, in jedem Jahr zu Weihnachten eine „Lüschke\" (das ist ein aus Holzbast geflochtener Korb) mit Neunaugen und einer Flasche Machandel.
Große Freude bereitete es mir, wenn ich das Schulfest der Schule von Einlage in den Dünen bei Schnakenburg mitmachen durfte. Der Lehrer der Schule war „Onkel“ Hermann Korsch. Als verehrter und hochangesehener Lehrer hat er Generationen von Schülern unterrichtet und zu tüchtigen Menschen erzogen. Alle Einlager, die ich kannte - es waren nicht wenige - und die ich nicht kannte (natürlich mit Ausnahme der alten), sind in seine Schule gegangen, selbstverständlich auch meine Mutter und alle meine zahlreichen Onkel und Tanten, und sie haben es fast alle zu etwas gebracht. Das haben sie sicherlich zu einem nicht geringen Teil der sehr guten Schulbildung zu verdanken, die sie durch ihren tüchtigen Lehrer erhalten hatten.
Da nach seiner Pensionierung sein Schwiegersohn Nitz die Stelle erhielt, durfte er auch weiterhin in der Schule wohnen, und ich habe ihn noch oft bis zu seinem Lebensende getroffen, wenn es mir hin und wieder möglich war, dorthin zu kommen.
Täglich ging man als Kind auf den Damm, um etwas von der Welt draußen zu sehen und um Verwandte und Freunde zu besuchen. Denn vom Gehöft aus hatte man ja nur freie Sicht nach Norden bis zu den Dünen der Ostsee, und da gab es nicht viel Interessantes, nur Getreide- und Rübenfelder, Koppeln mit Vieh und Triften (die verbindenden Wege). Wollte man den Fluß und das rege Leben auf ihm sehen oder wollte man zu einem nicht direkt benachbarten Gehöft, so musste man den Damm benutzen. Etwas für einen Städter völlig Neues gab es einmal in einem Sommer: da wurde das Dach des großväterlichen Grundstückes neu mit Rohr gedeckt, eine Arbeit, die längere Zeit dauerte. Früher hatten ja alle Häuser dort ein solches Dach, aber allmählich, da die Feuerversicherungen dagegen waren, entstanden immer mehr Ziegeldächer, vereinzelt sogar Zinkblechdächer, die sehr häßlich aussahen.
Doch mein Großvater hatte noch den alten Brauch beibehalten. Einmal erwartete mich eine neue Überraschung. Zwei meiner Onkel hatten sich eine „Lomm“ angeschafft, das war ein kleinerer Weichselkahn mit einem Mast und entsprechender Besegelung. Sie führten mit ihr allerlei Lohnfrachten durch, vor allem wurde wohl von Sandbänken im Fluss das Material an andere Stellen gebracht, wo es fehlte. Ich bin mehrmals mitgefahren, und das war immer etwas ganz Besonderes. Aber dann war eines Sommers, als ich wiederkam, die Lomm nicht mehr da!
In jedem Jahr fuhren wir mit den Eltern einmal oder mehrmals mit unserem Kahn über die Weichsel nach Schönrohr, wo eine jüngere Schwester meiner Mutter verheiratet war. Der Onkel besaß ein stattliches Bauerngut, zu dem auch eine kleine Windmühle gehörte. Größere Windmühlen waren damals noch zahlreich vorhanden, auch in Einlage arbeitete eine.
Als man älter wurde, ging man auch zuweilen mit einem Onkel, später auch allein, in ein Wirtshaus, deren es drei gab. Dort, wo das Dorf im Westen seinen Anfang hatte, hauste Luchts Johann mit seiner Schwester, beide unverheiratet; er suchte auch als Fischer noch Nebenerwerb, da ja der Krug etwas abseits lag. Machandel war das Nationalgetränk im ganzen Danziger Land. Dort aber war ein Spitz, der ihm völlig verfallen war. Es war gewiss sehr unrecht, aber die Gäste gaben diesem Hund mit Machandel getränkten Zucker, sodass er bisweilen völlig betrunken war.
Auf der entgegengesetzten Seite des Dorfes lag der „Große Krug“ von Klomhus, den wir aber nur sehr selten aufsuchen konnten. In der Mitte dazwischen hatte Grünwitzki sein Warenhaus; denn so kann man es wohl nennen, weil man dort sozusagen alles kaufen konnte. Die gute Lage begünstigte auch den Besuch der dort vorhandenen Gaststube, zumal unten am Damm die Hauptanlegestelle aller Dampfer war.
Arge Danzig, Rundschreiben 267, 2. Quartal 2020, Seite 3513.
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Added: 05/09/2020
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